Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
sie oder legt seine Hände vors Gesicht (siehe Abbildung 6). Er lehnt sich möglicherweise vom Tisch oder der anderen Person weg und dreht seine Füße zur Seite, manchmal in Richtung des nächsten Ausgangs. Dies sind keine Verhaltensweisen, die auf eine vorsätzliche Täuschung hindeuten, sondern sie zeigen uns vielmehr, dass sich jemand unwohl fühlt. Oder dass zum Beispiel der Geschäftsmann mit dem, was gerade am Verhandlungstisch geschieht, unzufrieden ist und deshalb lieber auf Distanz geht.
Abbildung 5: Menschen lehnen sich unbewusst voneinander weg, wenn sie verschiedener Meinung sind oder sich in der Anwesenheit des anderen unwohl fühlen.
Abbildung 6: Indem man Blickkontakt vermeidet, macht man deutlich, dass man konsterniert ist, Zweifel hat oder anderer Meinung ist.
Der Kampf
Angriff ist die dritte Überlebenstaktik und Möglichkeit, der Gefahr entgegenzutreten, wenn alles andere nicht hilft. Dabei kommt Aggression zum Einsatz. Im Lauf der Evolution haben wir -ebenso wie andere Säugetiere - die Strategie entwickelt, Angst in Wut zu verwandeln, um Angreifer abzuwehren (Panksepp, 1998, 208). In der heutigen Welt ist das Ausleben unserer Wut jedoch häufig nicht nur unangebracht, sondern in den meisten Situationen sogar gesetzeswidrig, weshalb das limbische Gehirn Alternativstrategien entwickelt hat.
Eine moderne Form der aggressiven Auseinandersetzung ist der Streit. Ein hitzig geführter Disput ist letztlich ein Kampf ohne Körpereinsatz. Die Schimpfwörter, Beleidigungen, Anschuldigungen, Verunglimpfungen, Provokationen und sarkastischen Anspielungen, die sich die Kontrahenten dabei an den Kopf werfen, sind auf ihre Art und Weise allesamt aggressive Ausdrucksformen. Wenn man einmal darüber nachdenkt, kann eine zivilrechtliche Klage zum Teil auch als moderne und sozial anerkannte Form eines Duells gedeutet werden, in der zwei Streithähne ihre gegensätzlichen Meinungen aggressiv vertreten.
Während die Menschen sich heute glücklicherweise viel seltener auf körperliche Auseinandersetzungen einlassen als in früheren Jahrhunderten, ist der Kampf nach wie vor Teil unseres limbischen Rüstzeugs. Obwohl manche Menschen stärker zu Gewalt neigen als andere, äußert sich unsere Angriffshaltung üblicherweise nicht in Form von Schlägen, Tritten und Beißattacken. Man kann auch ohne körperlichen Kontakt sehr aggressiv sein, zum Beispiel, indem man seine Körperhaltung oder seinen Blick einsetzt, die Brust streckt oder die Individualdistanz seines Gegenübers unterschreitet, indem man ihm zu dicht auf den Leib rückt. Solche Verletzungen des persönlichen Raums bewirken bei jedem Einzelnen von uns eine automatische Abwehrreaktion. Interessanterweise können diese Grenzüberschreitungen auch auf kollektiver Ebene vergleichbare Reaktionen hervorrufen. Wenn etwa ein Staat in das Territorium eines anderen eindringt, kann dies schnell zu wirtschaftlichen Sanktionen, dem Abbruch diplomatischer Beziehungen oder sogar zum Krieg führen.
Man merkt gewöhnlich recht schnell, wann jemand in den Kampfmodus schaltet und einen körperlichen Angriff startet. Ich möchte jedoch, dass Sie auch subtilere Formen der Aggression erkennen. So wie es modifizierte Ausdrucksformen der Schockstarre und der Flucht gibt, diktiert uns die moderne Etikette natürlich auch die Unterdrückung und Variation unserer instinktiven Kampfbereitschaft im Fall einer Bedrohung.
Ich rate grundsätzlich davon ab, (körperlich oder sprachlich) aggressiv zu werden, um die eigenen Ziele durchzusetzen. Da der Kampf der letzte Ausweg ist, um mit einer Bedrohung fertigzuwerden - nachdem Schockstarre und Flucht als Taktiken versagt haben -, sollte man ihn nach Möglichkeit auch vermeiden. Abgesehen von den naheliegenden juristischen und gesundheitlichen Folgen, können aggressive Handlungen enorm aufwühlend sein und zu einer Beeinträchtigung des Konzentrationsvermögens wie auch der Denkfähigkeit führen, die für eine realistische Einschätzung einer bedrohlichen Situation jedoch unbedingt erforderlich sind. In einer emotional aufgeladenen Situation - etwa in einem Handgemenge - ist es schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren. Und zwar weil in diesem Augenblick unsere kognitiven Fähigkeiten ausgeschaltet sind, damit sich das limbische System aller vorhandenen Ressourcen des Gehirns bedienen kann (Goleman, 1995, 27, 204-207). Einer der besten Gründe für das Studium nonverbaler Verhaltensweisen ist übrigens der, zu erkennen, wenn
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