Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
oder einen Duft wahrnehmen, der uns an unsere Kindheit erinnert, werden automatisch
ausgelöst, weil diese Erlebnisse einst als positiv bewertet und entsprechend abgespeichert wurden.
Beruhigende Gesten
Das Wissen darum, wie der Impuls zu erstarren, zu fliehen oder zu kämpfen jeweils unser nonverbales Verhalten beeinflusst, ist wie gesagt nur eine Seite der Medaille. Wer sich mit nonverbalem Verhalten befasst, wird feststellen, dass auf derartige Reaktionen meist folgt, was ich als Beruhigungsgesten bezeichne (Navarro, 2007, 141-163).
Die Fachliteratur spricht von adaptiven Reaktionen , also der Anpassung des Verhaltens an Umgebungsveränderungen. Eine Vielzahl der sogenannten Stress- und Verlegenheitsgesten dienen dazu, uns selbst zu beruhigen, nachdem wir etwas Unangenehmes oder Schockierendes erlebt haben (Knapp & Hall, 2002, 41-42). Um wieder den »Normalzustand« herzustellen, sorgt das Gehirn dafür, dass wir uns selbst beschwichtigen und Gesten ausführen, die uns angenehm sind. Diese äußerlich sichtbaren Signale können wir unmittelbar kontextbezogen beobachten und entschlüsseln.
Beruhigungsgesten sind nicht auf unsere Spezies beschränkt. Hunde und Katzen beispielsweise lecken sich selbst und ihre Artgenossen, um sich zu beruhigen. Menschen verfügen über weitaus mehr Möglichkeiten. Manche Gesten sind sehr offensichtlich, andere wesentlich subtiler. Sofort kommt uns das Daumenlutschen eines Kindes in den Sinn, aber auch als Erwachsene nutzen wir solche Beruhigungsgesten - wenn auch viel diskreter und innerhalb der gesellschaftlichen Anstandsregeln (zum Beispiel kauen wir Kaugummi oder an Bleistiftenden). Die meisten von uns bemerken diese subtileren Verhaltensweisen nicht oder sind sich nicht bewusst, dass sie Rückschlüsse auf die Gedanken und Gefühle eines Menschen zulassen. Das ist bedauerlich, denn um nonverbales Verhalten erfolgreich deuten zu können, ist es absolut entscheidend, menschliche Beruhigungsgesten zu erkennen und zu entschlüsseln. Und zwar weil diese kleinen Gesten mit beinahe unheimlicher Präzision Rückschlüsse auf die gegenwärtige Gemütsverfassung eines Menschen zulassen (siehe Kasten 10).
Ich achte vor allem dann auf solche Auffälligkeiten, wenn ich herausfinden will, ob jemand angespannt ist oder negativ auf etwas reagiert, das ich gesagt oder getan habe. In einer Befragung verrät eine solche Geste viel darüber, wie eine Person auf eine konkrete Frage oder Äußerung reagiert. Auf Verhaltensweisen, die Unbehagen signalisieren (zum Beispiel Weglehnen,
Kasten 10
DIE SACHE MIT DEM HALS
Das Berühren des Halses beziehungsweise Nackens ist eine der deutlichsten und am häufigsten vorkommenden Verhaltensweisen, die wir als Reaktion auf Stress äußern. Frauen beispielsweise bedecken oder berühren oft mit der Hand ihre Drosselgrube, also die Vertiefung zwischen Adamsapfel und Brustbein (siehe Abbildung 7). Wenn eine Frau diesen Teil des Halses berührt und/oder mit der Hand bedeckt, ist dies normalerweise ein sicheres Anzeichen dafür, dass sie sich unter Druck gesetzt, bedroht, unwohl, unsicher oder nervös fühlt. Möglicherweise ist ihr die Situation auch unangenehm, weil sie lügt oder wichtige Informationen vorenthält.
Ich ermittelte einmal in einem Fall, in dem wir annahmen, dass ein bewaffneter und gewaltbereiter Flüchtiger sich im Haus seiner Mutter aufhielt. Ein Kollege und ich suchten das Haus der Mutter auf, die uns auch bereitwillig einließ. Wir wiesen uns aus und fingen an, ihr eine Reihe von Fragen zu stellen. Als ich sie fragte, ob sich ihr Sohn im Haus befände, legte sie ihre Hand an die Drosselgrube und verneinte. Mir fiel dieses Verhalten sogleich auf und wir fuhren mit der Befragung fort. Nach einigen Minuten fragte ich sie, ob es nicht sein könne, dass sich ihr Sohn in ihrer Abwesenheit ins Haus geschlichen habe. Wieder führte sie ihre Hand an die Drosselgrube und bestritt, etwas darüber zu wissen. Aufgrund ihres Verhaltens ging ich inzwischen davon aus, dass sie nicht die Wahrheit sagte und sich ihr Sohn im Haus aufhielt. Um absolut sicherzugehen, unterhielten wir uns weiter mit der Frau. Als sich das Gespräch dem Ende zuneigte, fragte ich zum letzten Mal nach: »Damit ich meine Aufzeichnungen abschließen kann - Sie sind sich also absolut sicher, dass er sich nicht im Haus befindet, richtig?« Sie wiederholte ihre Aussage und ein drittes Mal ging ihre Hand zum Hals. Ich war nun überzeugt, dass die Frau log. Also bat ich um die
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