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drei alternativen Reaktionen manifestieren kann: Schockstarre, Flucht und Kampf. Ebenso wie andere tierische Spezies, deren limbische Gehirne über diese Schutzmechanismen verfügen, haben auch wir Menschen mit diesen fest in unserem Nervensystem verankerten Verhaltensweisen bis heute überlebt.
Ich bin mir sicher, dass vielen von Ihnen der Begriff »Kampf-oder-Flucht-Reaktion« bekannt ist. Dies ist eine gängige Bezeichnung für die Art, wie wir auf bedrohliche oder gefährliche Situationen reagieren. Leider stimmt diese Formulierung nicht ganz! Vielmehr reagieren sowohl Tiere als auch Menschen auf Gefahr in der folgenden Reihenfolge: Sie erstarren, fliehen, kämpfen. Wenn uns wirklich nur die beiden Alternativen Kampf oder Flucht zur Verfügung stünden, wären die meisten von uns im Lauf ihres Lebens schon mehr als einmal ganz schön übel zugerichtet worden.
Weil diese höchst erfolgreichen Strategien zu unserem angeborenen Verhaltensrepertoire gehören - und weil die daraus folgenden Reaktionen generell nonverbale Verhaltensweisen erzeugen, die uns helfen, die Gedanken, Gefühle und Absichten anderer Menschen zu erkennen -, lohnt es sich durchaus, jedes der drei genannten Reaktionsmuster ein wenig genauer zu betrachten.
Die Schockstarre
Vor einer Million Jahren hatten es die ersten Hominiden, die durch die afrikanische Savanne zogen, mit vielen Raubtieren zu tun, die schneller und stärker waren als sie selbst. Damit die ersten Menschen überleben konnten, setzte das limbische Gehirn, das wir von unseren tierischen Vorfahren geerbt haben, auf altbewährte Strategien, um den Kraftvorteil zu kompensieren, den die Raubtiere uns gegenüber hatten. Die erste Strategie oder Verteidigungsmaßnahme des limbischen Systems war es, Auge in Auge mit einem Raubtier oder einer anderen Gefahr in Schockstarre zu fallen. Bewegung zieht Aufmerksamkeit auf sich; das sofortige Innehalten angesichts einer Bedrohung ist deshalb eine der effektivsten Arten, zu reagieren, wenn man eine Gefahrensituation unbeschadet überstehen will. Die meisten Tiere, zumindest die meisten Raubtiere, reagieren auf Bewegung. Erst die Bewegung eines Beutetieres löst bei Fleischfressern die eigentliche Jagd aus, dann verfolgen sie die Beute, bringen sie zu Fall und beißen zu. So zum Beispiel machen es die Großkatzen, die für unsere Vorfahren die größte Gefahr darstellten.
Viele Tiere erstarren nicht nur, wenn sie von einem Raubtier bedroht werden, manche stellen sich sogar tot, was die ultimative Form der Schockstarre ist. Von Beutelratten ist dieses Verhalten bekannt, aber auch beim Menschen findet es sich. Berichte von den Amokläufen in Columbine und an der Virginia Tech zeigen, dass Schüler und Studenten nur mithilfe solcher Überlebensstrategien die tödliche Hatz ihrer Verfolger überlebten. Indem sie reglos liegenblieben und sich tot stellten, kamen viele Schüler und Studenten mit dem Leben davon, obwohl sie jeweils nur wenige Meter von den Tätern entfernt waren. Durch absolute Bewegungslosigkeit kann man sich anderen gegenüber fast unsichtbar machen, ein Phänomen, das jeder Soldat und SEK-Leiter bestens kennt.
Die Schockstarre ist eine Reaktion, die sich von unseren steinzeitlichen Vorfahren bis zum modernen Menschen erhalten hat und uns bis heute als erste Verteidigungsmaßnahme gegen eine wahrgenommene Bedrohung oder Gefahr gute Dienste leistet. Sogar bei Raubtiervorstellungen kann man dieses Verhalten feststellen. Sobald ein Tiger oder Löwe die Manege betritt, kann man sehr gut beobachten, wie die Zuschauer in der ersten Reihe schlagartig jede unnötige Bewegung der Arme oder Hände einstellen. Diese Menschen wurden vorher nicht angewiesen, sich so zu verhalten; sie tun es, weil das limbische Gehirn die menschliche Spezies seit mehr als fünf Millionen Jahren darauf programmiert hat, sich im Angesicht einer Gefahr so zu verhalten.
In unserer heutigen Gesellschaft begegnet uns die Schockstarre im Alltag allerdings auf viel subtilere Weise. So kann man sie zum Beispiel regelmäßig beobachten, wenn jemand eines Bluffs, eines Diebstahls oder auch einer Lüge überführt wird. Wenn wir das Gefühl haben, bedroht oder bloßgestellt zu werden, reagieren wir eben genauso - wir erstarren. Und nicht nur wir selbst halten angesichts einer scheinbaren oder echten Gefahr inne. Automatisch erstarren auch alle anderen um uns herum, selbst wenn sie die Bedrohung gar nicht wahrgenommen haben. Diese Form der Nachahmung oder Spiegelung hat
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