Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
An Alternative Paradigm for Interviewing« (Navarro, 2003, 19-24). Dieser Aufsatz stellt eine neue Methode vor, mit deren Hilfe man Unehrlichkeit auf die Spur kommen kann, indem man die Funktionsweise des limbischen Gehirns sowie die entsprechenden Signale für Behagen und
Unbehagen berücksichtigt. Dieses Modell spiegelt meine Ansicht wider, dass wir uns grundsätzlich wohler fühlen, wenn wir die Wahrheit sagen und uns kein schlechtes Gewissen plagt. Und es zeigt außerdem auf, dass unsere Körpersprache umso ausgeprägter ist, je ehrlicher und ausgeglichener wir sind. Das Modell wird zurzeit überall auf der Welt zur Schulung von Polizeibeamten eingesetzt. Aber es lässt sich im Grunde auch in jeder anderen Situation anwenden. Ich werde Ihnen meinen Ansatz im Folgenden vorstellen und das Schöne daran ist, dass Sie es auf Anhieb verstehen werden, weil Sie in den vorigen Kapiteln bereits alles gelernt haben, was Sie wissen müssen.
Haben Lügen doch kurze Beine? Was Behagen und Unbehagen verraten
Wer lügt oder Schuld auf sich geladen hat, ist sich dessen natürlich permanent bewusst und wird es dementsprechend schwer finden, sich wohlzufühlen. Für jemanden, der versucht, eine Schuld zu verbergen oder eine andere Person zu belügen, ist das eine nicht zu unterschätzende intellektuelle Leistung. Denn während eine ehrliche Person eine gestellte Frage ganz natürlich beantworten kann, muss sich der Lügner die passenden Antworten erst zurechtlegen. Dies erzeugt Anspannung und Nervosität - Gefühlsregungen, die sich beobachten lassen (DePaulo et al., 1985, 323-370).
Je wohler sich jemand in einer Gesprächssituation insgesamt fühlt, desto einfacher wird es sein, die wichtigen nonverbalen Zeichen für Unbehagen zu erkennen, die mit einem plötzlichen Täuschungsmanöver üblicherweise einhergehen. Ihr Ziel sollte also sein, zu Beginn einer jeden Interaktion eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, in der sich die betreffende Person wohl und nicht bedroht fühlt. Dies wird Ihnen dabei helfen, das Ausgangsverhalten der Person zu bestimmen.
Wiegen Sie Ihr Gegenüber in Sicherheit, bevor Sie seine Lüge entlarven
Bevor Sie eine Täuschung entlarven können, muss Ihnen klar sein, dass Ihr Verhalten das Verhalten Ihres Gegenübers beeinflusst (Ekman, 1991, 170-173). Wie Sie Fragen stellen (anklagend), wie Sie dasitzen (zu nah), wie Sie die Person ansehen (argwöhnisch), kann entweder zum Wohlbefinden des anderen beitragen oder das genaue Gegenteil bewirken. Es ist eine bekannte Tatsache, dass es negative Auswirkungen auf die Befragung beziehungsweise das Verhör hat, wenn der Fragensteller die Individualdistanz des Befragten unterschreitet, ihn schief ansieht, misstrauisch wirkt oder seine Fragen in forschem Ton vorbringt. Nicht der Wahrheitsgehalt einer Äußerung soll explizit infrage gestellt werden, sondern es geht vielmehr darum, einen vermeintlichen Lügner fachgerecht zu beobachten und zu befragen. Und dann geht es natürlich um das Sammeln nonverbaler Informationen. Je mehr Verhaltenscluster Sie entdecken, umso aussagekräftiger sind Ihre Beobachtungen und umso höher stehen Ihre Chancen, eine Unwahrheit aufzudecken.
Selbst wenn Sie auf der Hut sind und eine Lüge vermuten, sollten Sie eine möglichst neutrale, also nicht argwöhnende Haltung einnehmen. Vergessen Sie nicht, dass Sie in dem Moment, in dem Sie misstrauisch werden, direkten Einfluss auf die Reaktion Ihres Gegenübers nehmen. Wenn Sie ihn der Lüge bezichtigen oder auch nur zweifelnd anschauen, kann dies das Verhalten der betreffenden Person erheblich beeinflussen (Vrij, 2003, 67). Am besten versucht man, die Details zu ergründen, indem man einfache, eher allgemeine Fragen stellt wie »Das verstehe ich nicht« oder »Können Sie mir noch einmal erklären, wie es dazu kam?«. Um den entscheidenden Hinweis zu erhalten und eine Unwahrheit aufzuspüren, reicht es oftmals völlig aus, wenn jemand seine Aussagen umformulieren und etwas ausführlicher Rede und Antwort stehen muss. Ob Sie nun versuchen, in einem Bewerbungsgespräch die Richtigkeit eines Empfehlungsschreibens zu überprüfen, einen Diebstahl am Arbeitsplatz aufzuklären, oder ob Sie ein ernstes Gespräch über Ihre privaten Finanzen oder die mögliche Untreue Ihres Partners führen - es ist extrem wichtig, dass Sie stets einen kühlen Kopf bewahren. Denn dadurch wird verhindert, dass die Person, mit der Sie reden, in die Defensive geht und/oder sich weigert, die erforderlichen
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