Menschen lesen: Ein FBI Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
um Lügner und Betrüger zu enttarnen. Selbst heute nutzen einige Organisationen Handschriftproben, Stimmanalysen oder Lügendetektoren, um der Unwahrheit auf die Schliche zu kommen. Allerdings liefert keines dieser Hilfsmittel wirklich eindeutige Ergebnisse. Es gibt keine Methode, keine Maschine, keinen Test, keinen Fachmann, die eine Täuschung mit hundertprozentiger Genauigkeit entlarven könnten. Selbst der viel gepriesene Lügendetektor kommt nur auf eine Genauigkeitsquote von höchstens 60 bis 80 Prozent - und selbst die hängt von der Person ab, die das Gerät bedient (Ford, 1996, 230-232; Cumming, 2007).
Ein erreichbares Ziel
Verschiedene Studien seit den 1980er-Jahren haben immer wieder gezeigt, dass nur die wenigsten von uns es überhaupt schaffen, einer Lüge auf die Spur zu kommen. Und selbst bei diesen wenigen stehen die Erfolgschancen bei mageren 50 Prozent (Ford, 1996, 217; Ekman, 1991, 162). Das Erschreckende daran ist, dass dies ausdrücklich auch Richter, Anwälte, Ärzte, Polizeibeamte, FBI-Agenten, Politiker, Lehrer, Mütter, Väter und Ehepartner mit einschließt. Beunruhigend, aber wahr. Ob jemand, und dazu zähle ich auch Profis, einer Unwahrheit auf die Schliche kommt oder nicht, ist also reine Glückssache (Ekman & O’Sullivan, 1991, 913-920). Selbst diejenigen, die wirklich begabt darin sind (und dazu zählen wahrscheinlich weniger als 1 Prozent der Gesamtbevölkerung), haben selten in mehr als 60 Prozent aller Fälle recht. Denken Sie nur einmal an die zahlreichen Geschworenen, die auf der Grundlage dessen, was sie als ein Täuschungsmanöver oder eine Lüge interpretieren, über Ehrlichkeit und Unehrlichkeit, Schuld oder Unschuld eines Menschen entscheiden müssen. Leider werden einige Verhaltensweisen oft fälschlicherweise als Unehrlichkeit gedeutet, die in Wirklichkeit auf Stress zurückzuführen sind (Ekman, 1991, 187-188). Deshalb gehe ich persönlich auch grundsätzlich davon aus, dass es kein Verhalten gibt, das eindeutig und absolut zweifelsfrei auf eine vorsätzliche Täuschung hinweist - nicht ein einziges (Ekman, 1991, 162-189).
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir uns ab sofort nicht mehr mit dem Thema Täuschung zu befassen und nach entsprechenden Verhaltensweisen Ausschau zu halten brauchen, die je nach Kontext möglicherweise darauf hindeuten, dass jemand die Unwahrheit sagt. Aber ich empfehle doch sehr, sich ein realistisches Ziel zu setzen: Die Hauptsache für Sie sollte sein, nonverbale Verhaltensweisen jedweder Art eindeutig und zuverlässig identifizieren und deuten zu können, um zu erfahren, was Ihr Gegenüber denkt, fühlt und beabsichtigt. Dies ist in jedem Fall ein vernünftiges und erreichbares Ziel, das Ihnen schlussendlich nicht nur dabei helfen wird, Ihre Mitmenschen besser zu verstehen, sondern Ihnen - quasi ganz nebenbei -auch den einen oder anderen entscheidenden Hinweis auf ein Täuschungsmanöver liefern wird.
Warum sind Täuschungen so schwer zu entlarven?
Falls Sie sich wundern, warum es so schwer ist, Lügen auf die Schliche zu kommen, sollten Sie sich die alte Redewendung »Übung macht den Meister« ins Gedächtnis rufen. Wir lernen bereits in jungen Jahren zu flunkern - und tun dies allzu häufig -, sodass wir irgendwann sehr versiert darin sind, Unwahrheiten überzeugend zu vermitteln. Überlegen Sie nur einmal, wie oft Sie schon Sätze gehört haben wie »Sag ihnen, wir sind nicht zu Hause« oder »Setz ein fröhlicheres Gesicht auf« oder »Sag deinem Vater bloß nicht, was passiert ist«. Weil wir soziale Wesen sind, lügen wir nicht nur, um uns einen eigenen Vorteil zu verschaffen, sondern auch, um andere zu schützen (Vrij,
2003, 3-11). Eine Lüge kann dazu dienen, eine ausführliche Erklärung zu vermeiden, einer Strafe zu entgehen, einen falschen Doktortitel zu erlangen - oder sie erfolgt einfach aus Höflichkeit. Selbst Make-up und Schulterpolster dienen letzten Endes zu nichts anderem als dazu, andere zu täuschen. Kurzum: Lügen sind für uns Menschen wichtig, um in unserem sozialen Umfeld bestehen zu können (St-Yves, 2007).
Ein neuer Ansatz
Während meines letzten Dienstjahres beim FBI fasste ich in schriftlicher Form meine Forschungsergebnisse und Erkenntnisse zum Thema Täuschung zusammen und erstellte einen umfassenden Überblick über die Literatur, die in den vergangenen 40 Jahren zu diesem Thema erschienen war. Dies führte zur Veröffentlichung eines Artikels mit dem Titel »A Four-Domain Model of Detecting Deception:
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