Menschen minus X
Popularität erfreuen. Jedoch wurde alsbald offenbar, daß sie die Erwartungen, die man sonst noch in sie gesetzt hatte, leider nicht erfüllten – die Hersteller waren ja nicht imstande gewesen, neben der äußerlichen Hülle auch Geist und Seele zu rekonstruieren! Man brachte die Historischen in unbedeutenden Stellungen unter, wo sie schnell in Anonymität versanken. Für Ed Dukas war es eine erregende Vorstellung, daß es überall von erkannten und nicht erkannten Androiden wimmelte. Sie waren nicht mehr fortzudenken aus den Marschkolonnen in die große Zukunft. Wenigstens versuchte Ed sich dies einzureden. Vorsichtig besorgt, sie weder zu kränken noch herauszufordern, bemühte er sich in Erfahrung zu bringen, wie sie denken und empfinden mochten, wobei er meistens auf kühle Zurückhaltung oder schroffe Ablehnung stieß.
Eines Tages jedoch sollte ihm ein ganz besonderer Gedächtnismann begegnen. Diese Begegnung trug sich zu, als Ed mit Barbara und Les durch einen Park spazierte. Dort erblickten sie einen Mann, der auf einer Bank saß und Tauben fütterte. Er grinste ihnen freundlich zu und sagte: „Hallo, ihr netten jungen Leutchen! Wollt ihr euch nicht für eine Weile zu mir setzen? Ich fühle mich nämlich etwas einsam und ein bißchen durcheinander. Vielleicht überwinde ich das, wenn wir miteinander plaudern. Ja, setzt ihr euch zu mir? Na fein!“
Als die drei Platz genommen hatten, fuhr er fort: „Bin nämlich jetzt gerade erst drei Monate wieder da. War zuerst ganz beschränkt vor Verzagtheit. Dachte, ich wäre ein anachronistisches Versehen. Tja, stellt euch mal vor: Ich kann mich nämlich zurückerinnern bis ins Jahr siebzig. Achtzehnhundertsiebzig meine ich! Komisch, was? Seht mal, was ich mit mir herumschleppe, eine der ersten Ausgaben von Mark Twains Huckleberry Finn! Und nun, guckt mal, in diesem Buch hat man diese alte Fotografie eines Kerls gefunden. Sieht aus wie ein Farmer aus Illinois, was? Und jetzt vergleicht mal, wer sieht haargenau aus wie der Mann auf der Fotografie? Ich! So, und hier, seht ihr, steht auf der ersten Seite des Buches: Dieses Buch gehört Abel Freeman. Daher muß ich annehmen, daß ich er bin – Abel Freeman. Ich habe auch genau die gleiche Krakelschrift! Tja, die Fotografie und das Signum im Buch sind die einzigen Anhaltspunkte, wie und wer Abel Freeman gewesen ist. Und danach bin ich eben Abel Freeman!“
Vergnügt vor sich hin lachend, warf er seinen Zuhörern erwartungsvolle Blicke zu.
„Oh, wie sind wir glücklich, Sie kennengelernt zu haben, Mr. Freeman“, rief nun Barbara Day und schüttelte ihm begeistert die große eisenharte Rechte. „Sicher können Sie uns noch vieles Interessante verraten. Wie, zum Beispiel, wird sich Ihrer Meinung nach die Welt weiterentwickeln?“
Daß seiner Meinung Bedeutung zugemessen wurde, schien ihn zu entzücken. „Ich denke, es wird mächtig rauhe Zeiten geben“, sagte Freeman bedeutsam. „Ich habe in diesen drei Monaten verdammt viel gesehen und noch viel mehr nachgedacht. Zuerst, als ich wieder da war, wollte mir überhaupt nichts gefallen. Ich stand ganz allein in einer Welt voller unbegreiflicher Wunder. Aber dann fing ich an, mich einzugewöhnen und sagte zu mir selbst: Abel, alter Junge, nimm, was dir geboten wird und wimmere nicht, auch wenn dich keiner gefragt hat, ob du überhaupt wieder hierhin zurückmöchtest. Auf die billige Art hergestellt worden zu sein, hat auch seine Vorteile. Du bist stark wie zwölf normale Männer, und du brauchst keine Verjüngung, weil du nie älter wirst. Außerdem heilst du von selbst, auch wenn du verletzt werden solltest, und das kann sich als sehr nützlich erweisen. Denn das schlimmste an der ganzen Situation ist natürlich, daß deinesgleichen zu einer mächtigen Konkurrenz für die gegenwärtig Herrschenden werden wird. Und mag auch alles, selbst deine eigene Sorte, dafür sein, daß es friedlich zugeht – viele von der alten Sorte werden den Neuen mißtrauen. Und tatsächlich fürchte ich, daß wir mächtig rauhe Zeiten bekommen werden …“
Bei den letzten Sätzen hatte Freemans Gesicht einen wahrhaft prophetischen Ausdruck angenommen. Der Blick seiner lebhaften, scharfen Augen wanderte aufmerksam am Rand der Büsche entlang, die den gewundenen Weg säumten. „Merkwürdig“, murmelte er nach einem Weilchen, „mir war doch eben, als hätte ich einen gewissen jungen Mann erspäht, den ich halb und halb erwartet habe. Einen Erzfeind sozusagen, Tom Granger mit Namen.
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