Menschen wie Götter
Schwerkraft wird schwächer", bestätigte Oshima. Ihr Zureden wirkte, um so mehr, als auch Mary kein Verlangen danach hatte, allein unter den Feinden zu bleiben. Trub stellte sich mit Aster zwischen Mary und Oshima.
7
Wie blind schleppte ich mich weiter. Ich sah nicht den Planeten, nicht den Himmel, nicht das rasend lohende Gestirn, nicht die Menschen, nicht die Verderber. Ich war in meiner eigenen kleinen Welt, die von der äußeren so völlig abgesondert war, wie sich der Orangefarbene vom gesamten All abgesondert hatte. Ein Sturm wütete in mir, ich taumelte nicht unter der Schwerkraft, sondern unter der Last meiner Qualen. All meine Gedanken, all meine Empfindungen waren darauf gerichtet, jenen unbekannten Freund oder die Freunde zu rufen, die mir die prophetischen Träume eingegeben hatten. Ich wußte nicht, ob sie in Wirklichkeit existierten, ob es nicht Fieberwahn war, sie für existent zu halten, aber ich rief sie, flehte sie an zu erscheinen, bat sie, mich zu erleuchten ... Helft, bat ich sie stumm, helft, wir brauchen eure Hilfe!
Mary führte mich zu einem Drachen. Auf seinem Rücken ruhte unbeweglich Aster. Ich sprach mit ihm, doch er reagierte nicht, und ich wußte schon, daß er nicht reagieren würde, denn langsam erlosch er ...
"Eli, du mußt dich ausruhen", sagte Mary leise.
Ich ging, und den Platz neben Aster nahmen Lussin und André ein. Ich drehte mich um. Lussin sagte etwas zu meinem Jungen und streichelte ihm die Hände, André stand mit hängendem Kopf, Mary weinte still.
Ich dachte, mir wäre sicherlich leichter, wenn ich auch weinen könnte, aber ich hatte keine Tränen, ich war ausgedörrt, eine grausame Flamme verzehrte mich.
Als der Stern untergegangen war, ruhte Aster immer noch auf dem Rücken des Drachens. Morgen läßt die Schwerkraft weiter nach, dachte ich. Während ich noch bei Aster stand, wurde mir plötzlich schwarz vor den Augen.
Ich war der Wirklichkeit noch nicht völlig entrückt, da hatte mich bereits ein Traum umfangen. Wie mit fremden Augen beobachtete ich, wie ich über die Kette der augenköpfigen Wächter ans andere Lagerende versetzt wurde, wo die Feinde kampierten. Dabei wurde ich in einen Zerstörer transformiert.
Ich schritt mit Orlan durchs nächtliche Lager, als einer seiner Wächter, als einer von den beiden, die ihn stets begleiteten, denn der zweite war nicht da. Orlan flüsterte mir zu: "Merk dir jede Meinung, das ist wichtig, Krad ... "
"Ja", sagte ich, deutlich hörte ich den drohenden Klang meiner Stimme, denn Orlan wußte ja nicht, daß ich keineswegs Krad, sondern Eli war. "Ich werde mir alles merken!"
Bald darauf begann eine Konferenz der Heerführer und der Wache. Und ich nahm daran teil. Undurchdringliche Nacht lag über dem Planeten, gedämpfte Geräusche drangen herüber, die Gefangenen stöhnten, schluchzten und redeten im Schlaf, die Pegasusse und Drachen wälzten sich schwerfällig, während wir in einer goldenen Mulde saßen, abgeschirmt durch Felsen aus Blei, beleuchtet vom dämmrigen Schein der Augenköpfigen.
Orlan eröffnete die Konferenz. "Die Lage ist ernst", sagte er. "Wir müssen wichtige Entscheidungen treffen."
"Sage, was du weißt, Orlan", bat der große Unsichtbare. "Man kann nicht wirksame Entscheidungen treffen, wenn man nicht genau informiert ist."
"Alle Gefangenen vernichten das ist die einzige Entscheidung", sagte Orlans zweiter Wächter brüsk.
Er benahm sich wie ein Führer und nicht wie der schweigsame Leibwächter, als den ich ihn gekannt hatte. Unvermutet wurde mir bewußt, daß ich sein Gesicht nie richtig gesehen hatte. Auch jetzt sah ich es nicht.
Orlan warf dem zweiten Wächter einen Blick zu, schwieg aber.
"Ich begreife deinen Wunsch, Gig", wandte er sich nun an den hochgewachsenen Unsichtbaren, "doch ich kann kaum Neues mitteilen, Verbindung zur Station haben wir nach wie vor nicht. Wir marschieren aufs Geratewohl, handeln aufs Geratewohl."
"Wir besitzen das Programm mit den geheiligten Ideen des Großen Zerstörers, die erhellen jede Finsternis", sagte der zweite Wächter noch schärfer.
"Ja, gewiß", stimmte Orlan zu. "Sie sind der einzige Lichtstrahl in dem Dunkel, das sich um uns verdichtet hat. Vielleicht schadet es nicht, wenn ich in kurzen Worten wiederhole, was wir wissen und was wir nicht wissen." Er sprach zunächst von der menschlichen Flotte, die den Perseus angriff. Die Menschen annihilierten den zweiten kosmischen Körper. Der Große Zerstörer hatte seine Residenz auf den
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