Menschenherz - Band 1-3
lehnte sich über den Tisch. Er wirkte angespannt. „Und für deinen Engel?“
Die Frage war so leise, dass ich sie kaum hörte.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein!“ , hauchte meine innere Stimme kläglich. „Nie.“
Zufrieden stand er auf und schenkte mir ein überwältigendes Lächeln. „Ich werde dich jetzt einige Minuten allein lassen. Ich möchte, dass du dir Gedanken darüber machst, was du von deinem Leben erwartet und was du bekommen hast. Das ist nämlich wichtig für das, was ich dir anbieten werde.“
Mit eiskalten Klauen griff die Angst nach mir und eine Gänsehaut erschien auf meinem ganzen Körper als ich das Ausmaß der Gedanken erkannte, die wie eine Flutwelle aus der Vergangenheit aufstiegen und mich in die Couch drückten.
„ Du hast dich verloren. In diesem seit Jahrtausenden andauernden Spiel musst du dich irgendwann verloren haben. – Oder war es heute?“
***
Lächelnd ging Dr. Primus in die kleine Kammer zurück. Dieses Gespräch war besser – wesentlich besser – verlaufen, als er es in seinen kühnsten Träumen erhofft hatte.
Der alte Doktor und der Engel erwarteten ihn schon. Doch nur einer von beiden strahlte.
„ Sie reagiert auf dich!“ Der alte Doktor umarmte ihn, stolz wie ein Vater auf seinen Lieblingssohn. „Sie reagiert auf dich extremer, als ich es für möglich gehalten hätte.“
„ Was habt ihr erwartet? Sie gehört mir!“ Besitzerstolz schwang in der Stimme des jungen Doktors mit. „Habt ihr nicht ihren Gesichtsausdruck gesehen? Sie hat von Anfang an mir gehört!“
Er starrte auf den Monitor und es gelang ihm nicht mehr Wut und Verlangen zurückzuhalten. „Und jetzt hol ich sie mir zurück!“
Er drehte sich zu Gabriel, der bisher geschwiegen hatte und seinen Triumph nicht zu teilen schien. Er wirkte mürrisch und beinahe wütend. „Es ist verwunderlich, dass sie bleibt, so wie du sie behandelst!“
Siegesbewusst strahlte der junge Mann ihn an und ignorierte den unterschwelligen Einwand. „Sie wird bleiben, egal was ich tue und sage!“
„ Wir haben so lange daran gearbeitet. Du solltest sie nur dazu bringen, in das Projekt einzuwilligen!“ Gabriel fasste den jungen Mann an die Schultern und schüttelte ihn leicht.
„ Sie wird tun, was ich will!“ Dr. Primus befreite sich von den Händen des Engels und starrte ihn trotzig an.
Der Erzengel wich seinem Blick aus. „Es war nicht nötig, ihr wehzutun!“, murmelte er leise. Ein Hauch Schuld schlich sich in seine Stimme, als er Lilith auf dem Monitor betrachtete.
Sie wirkte wie eine zerbrochene, blasse Puppe auf der großen Couch. Die Lieblingspuppe die ein Kind plötzlich nicht mehr gewollt und zurückgelassen hatte.
Ihre Augen waren riesengroß und sie wirkte verwundet.
Besorgt wandte Gabriel sich zu dem jungen Mann: „Lass sie nicht länger allein.“
Er ertrug den verletzten, verlorenen Ausdruck in ihren Augen nicht länger. Den Ausdruck mit dem sie immer noch wartete – seit Jahrhunderten.
Auf etwas wartete, was er nicht verstand und von dem sie selber vielleicht nicht einmal wusste, was es war.
***
„ Auf was wartest du?“ Mein mürrischer Verstand riss mich aus meinem trübsinnigen Gedankengang und meine innere Stimme stimmte sofort ein: „Du bist allein!“
Ich blickte mich irritiert um. „Wie lange habe ich die Wand angestarrt, ohne zu blinzeln?“
Meine Augen waren trocken und brannten. Ich schluckte schwer. „Wie habe ich so sehr die Kontrolle verlieren können?“ Jeder bisherige Gedanke schien eine brennende Spur auf der Achterbahn meines Gehirnes zu hinterlassen und sich einen Weg durch die Nervenbahnen zu fräsen.
Ich stand auf, meine Muskeln fühlten sich an, wie mit Blei gefüllt. „Ich soll nachdenken!“, wiederholte meine innere Stimme empört und versuchte die Ergebnisse meiner Überlegungen zu verdrängen. „Er hat dich abgefertigt wie ein kleines Kind.“
Wütend blickte ich in die Kamera die über einem der Bücherregale verborgen war. „Trotzdem hat er Recht!“ , gab meine innere Stimme zu bedenken und schlich auf seine Seite.
Ich warf einen Blick in die Runde. Mit einem Mal wirkte der Raum finster und unfreundlich. Die Luft war mit einem Mal so stickig, als lägen all die langen Jahrhunderte in diesem kleinen Raum gebündelt und warteten nur auf einen günstigen Augenblick um über mich herzufallen.
„ Was tue ich hier überhaupt?“ Panisch sprang ich zur Tür, als mein Verstand endlich den Selbsterhaltungstrieb aktivierte.
Dr. Primus war
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