Menschenherz - Band 1-3
seiner Worte zu beobachten. Ich erwiderte seinen Blick. Wie oft hatte ich schon von irgendwelchen Riten gehört, die mir helfen sollten?
Als er bemerkte, dass sich meine Begeisterung in Grenzen hielt, fuhr er fort: „Dieser Ritus sorgt dafür, dass dich kein Engel dieser Welt mehr finden kann. Im Moment leuchtest du in ihren Augen aus der Masse der Sterblichen heraus wie ein Leuchtturm. Egal wohin du gehst, sie können dich jederzeit finden.“
Ich schloss die Augen, um seinem Einfluss auf mich zu entgehen, doch er sprach weiter: „Allerdings würdest du auch keine Engel mehr sehen können. Keine tröstenden Engel, die dich besuchen kämen. Du wärst ein Teil der Menschheit und ebenso vom Sündenfall betroffen wie wir alle – mit allen Konsequenzen.“
„ Kein Gabriel mehr“ , flüsterte meine innere Stimme traurig. „Leben, Tod.“
„ Überleg dir gut, ob du das tatsächlich willst!“, forderte mich der junge Mann auf.
„ Es ist nicht möglich, oder? So einfach lässt sich Jahve nicht austricksen!“ Ohne dass ich es bemerkte, hatte ich meinen Gedanken laut ausgesprochen.
„ Es ist kein Trick.“ Er zwinkerte mir zu. „Und wer sagt dir denn, dass es nicht Jahves Plan ist, dir durch uns eine zweite Chance zu ermöglichen?“
„ Ist es das wirklich? Eine zweite Chance?“
„ Was ist der Preis?“
Dr. Primus Augen weiteten sich und er wirkte einen Augenblick erbost. – Wie ein sehr guter Schauspieler oder wie jemand, der tatsächlich völlig selbstlos handeln wollte und fassungslos darüber war, dass man ihm böse Absicht unterstellte.
„ Es gibt keinen Preis!“ Seine Stimme war fest, ebenso wie sein Gesichtsausdruck.
„ Sie versprechen sich nichts davon, wenn sie einen Ritus für mich durchführen?“
Er wirkte gekränkt. „Nein! Die Tatsache, dass es funktioniert, würde mir reichen.“ Er schwieg einen Moment. „Obwohl ich nicht verschweigen möchte, dass ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, dass es funktioniert.“
Ich hatte mich halbaufgerichtet und ließ mich nun wieder in die weiche Umarmung der Couch fallen.
„ Es wäre eine großartige Chance – und wer weiß?“, er schmunzelte, „vielleicht schreibe ich hinterher ein Buch über dich und unseren Versuch. – Ich sehe das Cover schon vor mir: Free Lilith!“
Unwillkürlich musste ich grinsen.
Wieder ernst blickte er mich an. „Denk über mein Angebot nach. Einen Tag, zwei Tage, eine Woche. Es spielt keine Rolle. Wenn du dir sicher bist, werde ich da sein und dir helfen.“
Ich wusste, dass er mich manipulieren wollte und ließ es weiterhin zu. Vielleicht, weil er Adam ähnlich sah, vielleicht weil er genau wusste, was er wollte. Aber vielleicht wollte ich ihm auch einfach glauben. Jede Faser in mir sehnte sich danach, dass er Recht hatte und es auch mir vergönnte sein sollte, ein menschliches Leben zu leben. Ein Leben mit Freunden, Familie und Kindern.
Ich schloss die Augen. „ Er bietet dir alles an, was du dir immer gewünscht hast“ , frohlockte meine innere Stimme.
„ Genau wie Jesus damals“ , ermahnte ich sie leise.
„ Aber ohne Haken!“ , widersprach sie, war sich ihrer Sache aber nicht ganz sicher.
„ Ich kann einfach gehen und wiederkommen, falls ich einwillige?“
Betroffenheit lag in seinem Blick, als er sich seine Antwort überlegte. So als überlege er, wie viel mehr er mir noch sagen konnte. Er schluckte schwer.
„ Ja, du kannst einfach so gehen.“ Er schloss die Augen, als wenn er meinen Anblick nicht mehr ertragen konnte. „Aber es würde mich freuen, wenn du nicht einfach so wieder aus meinen Leben herausspazierst.“
Seine Verlegenheit kam der meinen gleich, aber sie ließ mich frohlocken. „Hofft er darauf, dass du hinterher mit ihm eine Familie gründest?“ Mein Herz schlug schneller, als ich den Gedanken für durchaus möglich einstufte.
Ich war froh, dass ich saß, denn plötzlich waren meine Knie weich und meine Muskeln schienen aus Gummi zu bestehen.
„ Würde es funktionieren?“, meine Stimme klang heiser vor Aufregung.
„ Was?“ Er brauchte einige Momente, bis er begriff, dass ich von dem Ritus sprach. „Ich weiß es nicht!“ Er wirkte enttäuscht darüber, dass ich nicht auf seine Bitte eingegangen war.
„ Kannst du Samiel so sehr betrügen?“, fragte mein Verstand und meine innere Stimme drohte ihm mit Prügel, bevor ich in Gedanken antworten konnte.
„ Wie ... Wie kann ich ...“, ich stotterte und versuchte abermals, meine Gedanken zu ordnen. „Wie
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