Menschenherz - Band 1-3
Gegenüber lächelte versonnen, als hätte er mich da, wo er mich haben wollte. „Man hat immer die Wahl“, murmelte er leise.
Bevor ich widersprechen konnte, wechselte er abrupt das Thema: „Was ist mit deinem Engel?“
Er wirkte angespannt, als wollte er meine Gedanken ausloten.
„ Ich bin alleine!“ Meine Stimme klang schrill und zickig.
Er reichte über den Tisch und drückte meine Hand. Überrascht erwiderte ich seinen Blick in dem ein Schmerz lag, den ich nicht verstand.
„ Er manipuliert dich!“, warnte meine innere Stimme, doch es war mir egal.
„ Seit 2000 Jahren bin ich alleine!“, fuhr ich fort, ohne dass er mich dazu aufforderte.
„ Und du hast nie versucht ein normales Leben zu führen?“ Sein Tonfall war mitfühlend und ich wusste, was er meinte: Ein menschliches Leben, ein Leben mit einem Partner, mit Kindern. Ein sterbliches Leben.
„ Warum?“, fragte er und sprach meine schlimmsten Vermutungen aus: „Weil du Angst hast, dass es das ist, worauf Samiel nur wartet?“
Sein Blick ruhte auf mir und ein warmer Schauder tanzte in meinem Bauch.
„ Er hat dich zweitausend Jahre allein gelassen, aber er hat dich nicht vergessen, nicht wahr?“, seine Stimme war ein leises, schmeichelndes Flüstern.
Mir fielen die vielen Kleinigkeiten wieder ein: Ein Amulett, welches ich verloren hatte und welches am nächsten Morgen neben mir auf dem Kopfkissen lag, Blumensendungen, Geschenke und Grußkarten per Post.
„ Er will nicht mit dir reden und dich nicht als vollwertige Partnerin. Aber er lässt dich nicht gehen?!“
Entgeistert starrte ich den jungen Mann vor mir an. „Woher weiß er das? “ Ich hatte das Gefühl als wenn ich ihn kennen würde. – Auf jeden Fall kannte er mich. Beinahe besser als mir lieb war. Es war, als könne er meine Gedanken lesen.
„ Und er findet dich, egal wohin du gehst?“ Er fuhr mit seinem Zeigefinger meinen Arm hoch und hinterließ eine brennende Spur auf meiner Haut.
Ich war entsetzt.
„ Er liest deine Gedanken!“, glaubte meine innere Stimme.
„ Nein tue ich nicht!“, meinte der Doktor, nahm seine Hand von meinem Arm und lehnte sich genüsslich grinsend in seinem Sessel zurück. Als er meinen erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte, fügte er ein: „Wirklich nicht!“, hinzu.
Wir betrachteten einander wie zwei Schachweltmeister, die über ihren nächsten Zug grübelten.
Schließlich seufzte er, als gäbe er auf und käme endlich zum geschäftlichen Teil unserer Begegnung. „Du hast vorhin gesagt, dass du einfach nur leben möchtest. Du möchtest lieben und geliebt werden, richtig?“
Stumm nickte ich, gespannt darauf, wohin er mich mit seiner Argumentation führen wollte.
„ Aber du möchtest auch eine Familie? Kinder?“
Wieder nickte ich.
„ Und das einzige, was dir dabei im Weg ist der Engel, für den du alles aufgegeben hast?“
Wieder ein kurzes Nicken. Ich fühlte mich wie eine Marionette, die von Außen bedient wurde.
„ Weil er dich, sobald du dich einem Mann hingegeben hast, finden würde – und du dann ohne Jahves Schutz bist. Er könnte sich über deinen Willen hinwegsetzen … und die Welt auslöschen.“
Obwohl ich es nicht wollte, nicht einmal denken wollte, nickte mein Kopf wie von alleine.
„ Wärst du bereit ihn aufzugeben?“
Überrascht tauchte mein Blick in den des charismatischen Doktors.
„ Was versuchen Sie mir anzubieten?“ Ich war verwirrt und verfiel wieder ins „Sie“. „Ich kann ihn nicht einfach aufgeben. Sie haben mein Dokument doch sicher aufmerksam gelesen, oder?“
Jetzt nickte mein Gegenüber. In seinem Gesicht lang immer noch ein siegessicheres Lächeln.
„ Dann haben Sie auch gelesen, was Jahve bei unserer Bestrafung verfügt hat“, murmelte ich, verunsichert durch seinen durchdringenden Blick.
„ Oh, Lilith!“, flüsterte er zärtlich. Meinen Namen so aus seinem Mund zu hören, war beinahe mehr, als ich ertragen konnte. Ich spürte, wie hitzige Röte über meinen Körper rollte: Von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln.
Nie war mir die bloße Nennung meines Namens so vertraut vorgekommen, so intim, wie eine sanfte Liebkosung.
„ Glaubst du wirklich, dass es nur eine Bestrafung war?“ Er lehnte sich über den Tisch und verringerte den Abstand zwischen uns. „War es nicht vielmehr auch ein Schutz für dich?“
Ich schwieg, weil ich ihm nicht widersprechen wollte.
„ Wir haben einen Ritus gefunden, der dir helfen kann.“
Er schwieg und sah mich an, um die Wirkung
Weitere Kostenlose Bücher