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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihnen gut, Bennie«, beruhigte Molie ihn leise. »Lass sie einfach in Ruhe. Im Augenblick bist du Gift für sie. Begreifst du das?«
    »Ja«, sagte Richards. Auf einmal wurde er von Verzweiflung überwältigt, dunkel und furchtbar. Ich habe Heimweh, dachte er erstaunt, aber es war mehr, es war schlimmer. Alles schien aus den Fugen geraten, unwirklich. Der Stoff aus dem die Realität ist, schien an den Nähten zu reißen. Gesichter wirbelten an ihm vorbei: Laughlin, Burns, Killian, Jansky, Molie, Cathy, Sheila …
    Er starrte in die Dunkelheit hinaus, zitternd. Molie hatte sich mittlerweile an die Arbeit gemacht und summte dabei einen alten Schlager aus seiner Vergangenheit, etwas über Bette Davis’ Augen. Wer, zum Teufel, war das nun schon wieder?
    »Er war Drummer«, sagte Richards plötzlich. »Bei dieser englischen Gruppe, den Beetles. Mick McCartney.«
    »Yeah, ihr Kinder«, murmelte Molie über seine Arbeit gebeugt. »Das ist alles, was ihr Kinder noch wisst.«

… Minus 077 Countdown läuft …
     
    Zehn Minuten nach Mitternacht verließ er, um zwölfhundert Neue Dollar leichter, Molies Haus. Der Pfandleiher hatte ihm zusätzlich eine minimale, aber wirkungsvolle Verkleidung verkauft: graue Haare, eine Brille, Wangenpolster und Schneidezähne aus Plastik, die die Form seines Mundes leicht veränderten. »Du solltest ein wenig hinken«, hatte Molie ihm noch geraten. »Nicht zu auffällig, nur ein kleines bisschen. Denk dran, du hast die Macht, den Blick der Menschen zu umnebeln, wenn du sie benutzt. Du erinnerst dich nicht an diesen Satz, oder?«
    Richards erinnerte sich nicht.
    Laut seinen neuen Papieren hieß er jetzt John Griffen Springer und war ein Textband-Vertreter aus Harding. Ein dreiundvierzig Jahre alter Witwer ohne Technikostatus, aber das war auch ganz gut so. Technikos hatten ihre eigene Sprache.
    Um 0:30 Uhr stand er wieder auf der Robard Street. Eine gute Zeit, um niedergeschlagen, ausgeraubt oder gar getötet zu werden, aber ein schlechter Zeitpunkt, um in irgendeiner Art unbemerkt zu verschwinden. Trotzdem, er hatte ja schließlich sein ganzes Leben südlich vom Kanal verbracht.
    Er überquerte den Kanal zwei Meilen weiter westlich. Eine Gruppe betrunkener Penner hatte sich um ein kleines Feuer versammelt, ein paar Ratten, aber keine Cops. Gegen 1:15 Uhr durchquerte er die Randbezirke des Niemandslandes aus Lagerhallen, billigen Restaurants und Reedereien auf der Nordseite des Kanals. Um 1:30 Uhr war er von genug Uptown-Bewohnern umgeben, die von einer schäbigen Spelunke zur nächsten unterwegs waren, um unbemerkt ein Taxi anhalten zu können.
    Diesmal sah der Taxifahrer kein zweites Mal hin.
    »Flughafen«, sagte er.
    »Geht in Ordnung, Mann.«
    Die Luftturbinen des Wagens schoben sie in den Verkehr hinauf. Um 1:50 Uhr waren sie am Flughafen angekommen. Richards ging, einen Fuß nach sich ziehend, an mehreren Polizisten und Aufsichtsbeamten vorbei, ohne sonderlich beachtet zu werden. Er kaufte sich ein Ticket nach New York, weil es ihm naheliegend erschien. Die Ausweiskontrolle verlief routinemäßig und ohne besondere Vorkommnisse. Um 2:20 Uhr befand er sich in der Maschine nach New York. Mit ihm saßen nur ungefähr vierzig Passagiere in der Maschine, hauptsächlich vor sich hin dösende Geschäftsleute und Studenten. Der Polizist in der Judaszelle schlief den ganzen Flug über. Nach einer Weile schlief auch Richards ein.
    Um 3:06 Uhr landeten sie, und Richards ging von Bord und verließ den Flughafen ohne Zwischenfall.
    Um 3:15 Uhr saß er wieder in einem Taxi, das den Lindsay Overway entlangbrauste. Sie überquerten den Central Park diagonal, und um 3:20 Uhr tauchte Ben Richards in der größten Stadt auf dem Angesicht der Welt unter.

… Minus 076 Countdown läuft …
     
    Er kam im Brant Hotel auf den Boden zurück, einem unscheinbaren Etablissement in der East Side. Dieser Stadtteil hatte sich Stück für Stück einen neuen Stil zugelegt, aber das Brant lag weniger als eine Meile von Manhattans zerstörter Innenstadt entfernt – ebenfalls der größten auf der Welt. Als er sich anmeldete, musste er wieder an Dan Killians Rat denken: Halten Sie sich an Ihresgleichen.
    Nachdem er aus dem Taxi gestiegen war, war er zunächst zum Times Square geschlendert. Er hatte nicht in den frühen Morgenstunden in einem Hotel einchecken wollen. So hatte er die fünfeinhalb Stunden von halb vier bis neun Uhr in einer durchgehenden Perverto-Show verbracht. Er hätte gern geschlafen, doch beide

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