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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ging an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen, in der Hand hatte er ein Handtuch und ein Stück Seife. Er hatte eine graue Schlafanzughose an, die mit einer Schnur um die Hüfte gebunden war, und an den Füßen Papp-Pantoffeln.
    Richards schloss sein Zimmer auf und ging hinein. An der Innenseite der Tür befand sich ein Riegel, und er benutzte ihn. Drinnen stand ein Bett mit fast weißer Bettwäsche und einer zusätzlichen Armeedecke. Da stand eine Kommode, deren zweite Schublade fehlte. An der Wand hing ein Jesusbild. Schräg gegenüber, eingezwängt in den rechten Winkel zweier Wände stand ein metallener Kleiderständer mit zwei Bügeln. Ansonsten war da nur noch das Fenster, das in die Schwärze hinaussah. Es war 22:15.
    Richards hängte sein Jackett auf, streifte die Schuhe ab und legte sich auf das Bett. Ihm wurde bewusst, wie armselig und verletzlich und allein er auf dieser Welt war. Das Universum um ihn herum schien zu brüllen und zu kreischen wie eine riesige alte Klapperkiste, die mit Karacho einen Hügel hinunter und auf einen bodenlosen Abgrund zurast. Seine Lippen zitterten, und er weinte ein bisschen.
    Das nahm er nicht auf Kassette auf. Er lag auf dem Rücken und betrachtete die rissige Zimmerdecke mit ihrem bizarren Muster, das wie die gesplitterte Glasur eines schlechten Töpfers aussah. Sie waren jetzt seit acht Stunden hinter ihm her. Er hatte sich mittlerweile achthundert Dollar von seinem Spesengeld verdient. Herrgott, er hatte noch nicht mal seinen Vorschuss wieder reingeholt.
    Und er hatte sich im Free-Vee verpasst. Himmel, ja. Die spektakuläre Kissenbezug-Nummer.
    Wo waren sie jetzt? Noch in Harding? In New York? Oder schon auf dem Weg nach Boston? Nein, sie konnten noch nicht auf dem Weg hierher sein, oder? Der Bus war an keiner Straßensperre vorbeigekommen. Er hatte die größte Stadt der Welt unerkannt verlassen und wohnte hier unter einem anderen Namen. Sie konnten ihn noch nicht ausfindig gemacht haben. Unter gar keinen Umständen.
    Im Bostoner YMCA war er bestimmt zwei Tage lang sicher. Danach konnte er sich nach Norden absetzen, Vermont oder New Hampshire oder nach Süden, in Richtung Hartford oder Philadelphia, vielleicht sogar Atlanta. Weiter im Osten war der Ozean, aber dahinter lagen England und Europa. Eine verführerische Idee, aber wahrscheinlich nicht im Bereich seiner Möglichkeiten. Bei Überseeflügen musste man sich ausweisen, zumal in Frankreich Kriegsrecht herrschte, und obwohl es zwar möglich war, sich als blinder Passagier einzuschleichen, würde eine Entdeckung das schnelle und endgültige Aus für ihn bedeuten. Und der Westen kam nicht in Frage. Dort war der Boden für ihn am heißesten.
    Wenn du die Hitze nicht verträgst, verschwinde aus der Küche. Wer hatte das noch gesagt? Molie wüsste es bestimmt. Er kicherte ein bisschen und fühlte sich besser.
    Der körperlose Klang eines Rundfunkgeräts drang an seine Ohren.
    Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um sich eine Waffe zu besorgen. Heute Nacht. Aber er war zu müde. Die Busfahrt hatte ihn ermüdet. Auf der Flucht zu sein machte ihn müde. Und ein Instinkt, der viel tiefer lag als sein rationales Bewusstsein, sagte ihm, dass er die kalten Oktobernächte wohl sehr bald in einem Abwasserkanal oder in einem mit Blättern und Unrat verstopften Gully verbringen würde.
    Die Knarre war morgen Abend dran.
    Er schaltete das Licht aus und ging schlafen.

… Minus 071 Countdown läuft …
     
    Es war wieder Showtime.
    Richards zeigte der Kamera seinen nackten Hintern und summte die Titelmelodie von Menschenjagd. Er hatte sich diesmal den YMCA-Kissenbezug über den Kopf gezogen, den er vorher auf links gedreht hatte, damit der Namensstempel auf dem Saum nicht zu sehen war.
    Die Kamera hatte in ihm eine Art kreativen Humor geweckt, den er bei sich nie für möglich gehalten hätte. Bisher hatte er sich immer für einen ziemlich mürrischen Mann gehalten, der wenig oder keinen Humor besaß. Die Aussicht auf seinen baldigen Tod hatte einen verborgenen Komödianten in ihm geweckt.
    Als die Kassette heraussprang, beschloss er, sich die zweite für den Nachmittag aufzusparen. Dieses einsame Zimmer war langweilig, und vielleicht fiel ihm noch was Besseres ein.
    Er zog sich langsam an, schlenderte zum Fenster und blickte hinaus.
    Der Donnerstagvormittagsverkehr rauschte geschäftig die Huntington Avenue hinauf und hinunter. Beide Bürgersteige waren von langsam gehenden Fußgängern bevölkert. Einige überflogen knallgelbe

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