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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Stellenanzeigen. Die meisten gingen einfach. Anscheinend stand an jeder Straßenecke ein Polizist. Richards konnte sie geradezu hören: Weitergehen. Hast du nichts Wichtigeres zu tun, als hier rumzustehen? Sieh zu, dass du weiterkommst, du Made.
    Also ging man weiter zur nächsten Straßenecke, die genauso war wie die erste und von der man ebenfalls verjagt wurde. Man konnte versuchen, sich deswegen zu ärgern, aber meistens taten einem die Füße dafür zu weh.
    Richards wog das Risiko ab, den Flur hinunterzugehen und zu duschen. Er entschied schließlich, dass es okay wäre. Er ging mit dem Handtuch über der Schulter den Korridor entlang, begegnete niemandem und betrat das Badezimmer.
    Der Gestank nach Urin, Scheiße und Desinfektionsmitteln vermischte sich. Die Toilettentüren waren natürlich alle herausgerissen. Jemand hatte in dreißig Zentimeter hohen Buchstaben FREE VEE IS SCHEISE über ein Urinal geschrieben. Sah so aus, als wäre er dabei ziemlich wütend gewesen. Ein Urinal war voller Kot. Da musste jemand wirklich betrunken gewesen sein. Ein paar träge Oktoberfliegen krochen darüber. Richards war nicht angeekelt; diesen Anblick war er gewohnt. Aber er war froh, dass er seine Schuhe angezogen hatte.
    Auch die Dusche hatte er für sich allein. Der Boden bestand aus gerissenem Porzellan, die Wandfliesen waren gebrochen, dicke Schimmelstreifen in der Nähe des Bodens. Er drehte einen rostigen Duschkopf auf ganz heiß auf, wartete fünf Minuten lang geduldig, bis das Wasser lauwarm wurde, und duschte dann schnell. Er benutzte ein Stück Seife, das er auf dem Boden gefunden hatte. Das YMCA weigerte sich entweder welche bereitzulegen, oder das Zimmermädchen hatte sie mitgehen lassen.
    Auf dem Weg zurück ins Zimmer überreichte ihm ein Mann mit einer Hasenscharte ein Traktat.
    Er stopfte sich das Hemd in die Hose, setzte sich aufs Bett und zündete sich eine Zigarette an. Er war hungrig, wollte aber bis zum Abend warten, bevor er essen ging.
    Langeweile trieb ihn wieder ans Fenster. Um sich die Zeit zu vertreiben, zählte er die Automarken – Fords, Chevies, VWs, Wints, Plymouths, Studebakers, Rambler-Supremes. Die erste, die auf hundert kam, gewann. Ein dummes Spiel, aber besser als kein Spiel.
    Weiter oben in der Huntington Avenue war die Northeastern University, und dem YMCA direkt gegenüber befand sich eine große automatisierte Buchhandlung. Während er Autos zählte, beobachtete er, wie die Studenten dort ein und aus gingen. Sie standen in scharfem Kontrast zu den Gammlern mit den Stellenanzeigen. Ihre Haare waren kürzer, und alle schienen karierte Pullover zu tragen, die dieses Jahr der letzte Schrei auf dem Campus waren. Richards sah ihnen amüsiert zu, wie sie sich unbehaglich und anbiedernd durch die Menge nach drinnen schlängelten, um ihre Einkäufe zu erledigen. Die Fünf-Minuten-Parkplätze vor dem Laden füllten und leerten sich. Auffällige, oftmals exotische Sportwagen. Die meisten hatten ein College-Emblem im Rückfenster kleben: Northeastern, M. I. T., Boston College, Harvard … Die meisten der Rumtreiber mit den Stellenanzeigen behandelten die Sportwagen wie einen Teil des Hintergrundes, aber einige betrachteten sie mit neidischen, sehnsüchtigen Blicken.
    Ein Wint fuhr gerade aus der Parklücke direkt vor dem Laden, und sofort parkte ein Ford dort ein und senkte sich knapp über das Pflaster ab, als der Fahrer, ein Bursche mit Bürstenhaarschnitt und einer langen, dünnen Zigarre im Mund, den Schalthebel auf Leerlauf stellte. Das Auto schwankte leicht, als sein Beifahrer, ein Kerl in einem braun-weißen Sportjackett, ausstieg und im Laden verschwand.
    Richards seufzte. Autozählen war wirklich ein sehr blödes Spiel. Die Fords waren ihrem größten Konkurrenten mit 78 zu 40 weit voraus. Das Ergebnis war so offensichtlich wie der Ausgang der nächsten Wahl.
    Jemand klopfte an die Tür, und Richards erstarrte wie vom Schlag getroffen.
    »Frankie? Bist du da drinnen, Frankie?«
    Er antwortete nicht. Vor Angst gelähmt, stand er da wie eine Statue.
    »Du bist ein Scheißkerl, Frankie-Baby.« Er hörte ein glucksendes, betrunkenes Lachen, und dann entfernten die Schritte sich. Jetzt klopfte es an die Nachbartür. »Bist du da drinnen, Frankie?«
    Richards’ Herz kehrte langsam wieder an seinen Platz zurück.
    Der Ford fuhr aus der Parklücke und der nächste Ford nahm seinen Platz ein. Nummer 79. Scheiße.
    Der Tag ging in den Nachmittag über, und dann war es ein Uhr. Er hörte es an

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