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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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den diversen Glockenschlägen der umliegenden Kirchen. Ironischerweise besaß der Mann, der auf Zeit lebte, keine eigene Uhr.
    Inzwischen probierte er es mit einer Variation des Autospiels. Fords zählten zwei Punkte, Studebakers drei, Wints vier. Der erste, der fünfhundert erreichte, gewann.
    Es war vielleicht eine Viertelstunde vergangen, als er den Mann in dem braun-weißen Sportjackett wieder bemerkte. Er stand an einen Laternenpfahl gelehnt vor der Buchhandlung und las ein Konzertplakat. Er wurde nicht weggejagt. Tatsächlich schien die Polizei ihn einfach zu ignorieren.
    Du siehst schon weiße Elefanten, du Made. Als Nächstes bildest du dir ein, dass sie in deinen Zimmerecken hocken.
    Er zählte einen Wint mit verbeulter Stoßstange. Einen gelben Ford. Dann einen Studebaker mit pfeifendem Luftzylinder – er trudelte in kleinen Kreisen durch die Luft. Einen VW – nicht gut, die waren schon längst aus dem Rennen. Noch einen Wint. Und einen Studebaker.
    Ein Mann mit einer langen Zigarre stand nonchalant an der Bushaltestelle. Er war der einzige, der dort stand. Aus gutem Grund. Richards hatte die Busse kommen und gehen sehen. Er wusste, dass die nächsten fünfundvierzig Minuten kein Bus kommen würde.
    Kalte Furcht kroch in seine Eingeweide.
    Ein alter Mann in einem verschlissenen schwarzen Mantel schlenderte die Straße entlang und lehnte sich lässig an das Gebäude.
    Zwei Typen in karierten Pullovern stiegen, sich angeregt unterhaltend, aus einem Taxi und begannen, die Speisekarte im Fenster des Stockholm Restaurants zu studieren.
    Ein Cop ging auf den Mann an der Bushaltestelle zu und unterhielt sich mit ihm. Dann ging der Cop wieder weg.
    Richards fiel mit taubem Entsetzen auf, dass viele der Anzeigen-Leser jetzt viel langsamer am Haus vorbeigingen. Ihre Kleider und ihre Gangart kamen ihm merkwürdig vertraut vor, als wären sie schon viele Male zuvor in der Gegend gewesen und ihm gerade erst bewusst geworden – langsam, vorsichtig tastend, so wie man im Traum die Stimmen der Toten langsam wieder erkennt.
    Es standen auch mehr Cops herum.
    Ich werde umzingelt, dachte er. Der Gedanke erfüllte ihn mit hilfloser, lähmender Furcht.
    Nein, korrigierte sein Verstand ihn. Du bist schon lange umzingelt worden.

… Minus 070 Countdown läuft …
     
    Richards ging zügig ins Badezimmer. Er war völlig ruhig und ignorierte seine Angst, so wie ein Mann auf einem hohen Felsvorsprung nicht an den Sturz denkt. Wenn er hier herauskommen sollte, dann nur, indem er einen klaren Kopf behielt. Wenn er in Panik geriet, würde er schnell sterben.
    In der Dusche sang jemand mit brüchiger Stimme einen Gassenhauer. An den Toiletten und Waschbecken stand niemand.
    Der Trick war ihm in den Kopf geschossen, als er am Fenster gestanden und beobachtet hatte, wie sie sich in ihrer lässig-bedrohlichen Art ums Haus versammelt hatten. Wenn er ihm nicht eingefallen wäre, säße er vermutlich immer noch auf der Fensterbank und starrte sie an wie Aladin den Rauch aus seiner Wunderlampe, der sich zu dem allmächtigen Riesen verdichtete. Sie hatten diesen Trick als Jungen benutzt, um aus den Kellern im Sozialwohnblock Zeitungen zu stehlen. Molie hatte sie ihnen für zwei Cents das Pfund abgekauft.
    Mit einem heftigen Ruck riss er einen der Zahnbürstenhalter aus der Wand. Der Draht war ein wenig rostig, aber es würde schon gehen. Auf dem Weg zum Fahrstuhl bog er ihn gerade.
    Er drückte auf den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen, und der Käfig brauchte eine halbe Ewigkeit, um langsam vom achten Stockwerk herunterzuzuckeln. Er war leer. Gott sei Dank, der Fahrstuhl war leer.
    Er schlüpfte hinein, spähte noch einmal vorsichtig den Flur hinunter und befasste sich dann mit der Schalttafel. Neben dem Knopf für den Keller befand sich ein kleiner Schlitz. Der Hausmeister besaß eine passende Spezialkarte, die er dort hineinschob, wenn er in den Keller wollte. Ein elektrisches Auge würde die Karte prüfen, und dann konnte der Hausmeister den Knopf drücken und in den Keller hinunterfahren.
    Wenn es nun nicht klappt?
    Denk da nicht dran. Denk da jetzt nicht dran.
    Das Gesicht in Erwartung eines möglichen Elektroschocks zur Grimasse verzogen, steckte er den Zahnbürstenhalter in den Schlitz und drückte gleichzeitig auf den Kellerknopf.
    Hinter der Schalttafel hörte er ein Geräusch, das sich wie ein kurzer elektrischer Fluch anhörte. Ein leichter, zitternder Schlag fuhr ihm durch den Arm. Sonst passierte einen Moment lang nichts. Doch

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