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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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war zu groß für ihn, um den Jungen darin mitzuschütteln. »Jetzt hau endlich ab! Ich bin fertig mit Reden!«
    Als der Junge merkte, dass er es ernst meinte, löste sich die komische Maske aus Trotz und Hass unter dem Afrohaar des Kindes auf, und verwandelte sich in eine ungläubige Miene der Qual und des Schmerzes. »Hör mal, das war der einzige Scheißgroschen, den ich hatte. Die Kaugummimaschine hat meinen Groschen gefressn! Das …«
    »Ich rufe jetzt den Hausdetektiv.« Der Empfangschef ging zur Vermittlung. Sein Jackett, ein Flüchtling aus einem Billigladen, schlotterte müde um seinen dünnen Hintern.
    Der Junge verpasste dem Ständer des Kaugummiautomaten einen Tritt und rannte dann. »Bescheuerter verdammter weißer Hurensohn!«
    Der Mann blickte ihm nach, der Alarmknopf, ob echt oder falsch, blieb ungedrückt. Dann lächelte er Richards entgegen, wobei er eine Klaviertastatur preisgab, der einige Tasten fehlten. »Man kann mit den Niggern nicht mehr reden. Ich würde sie in Käfigen halten, wenn ich beim Network das Sagen hätte.«
    »Hat er wirklich einen Nickel verloren?«, fragte Richards, während er sich als John Deegan aus Michigan ins Gästebuch eintrug.
    »Falls ja, dann hat er ihn gestohlen«, sagte der Empfangschef. »Oh, ich glaube, es stimmt schon. Aber wenn ich ihm einen Groschen gegeben hätte, hätte ich heute Abend zweihundert kleine Negerkinder hier drin gehabt, die dasselbe behaupten. Wo lernen die bloß diese Sprache? Das würde ich gern mal wissen. Kümmern ihre Leute sich denn überhaupt nicht um sie? Wie lange werden Sie bleiben, Mr. Deegan?«
    »Ich weiß es nicht. Ich bin geschäftlich in der Stadt.« Er probierte ein schmieriges Lächeln, und als es sich korrekt anfühlte, verstärkte er es noch. Der Empfangschef erkannte es sofort (vermutlich von seinem eigenen Spiegelbild, das ihm die von unzähligen Ellbogen polierte falsche Marmorplatte auf dem Schalter zeigte) und lächelte zurück.
    »Das macht 15,50 Dollar, Mr. Deegan.« Er schob einen Schlüssel, der an einer abgegriffenen Holzplakette befestigt war, über die Marmorplatte. »Zimmer 512.«
    »Danke.« Richards bezahlte bar. Wieder kein Ausweis. Gott sei für den YMCA gepriesen.
    Er ging durch die Halle zum Fahrstuhl und warf unterwegs einen Blick in die christliche Leihbibliothek zu seiner Linken. Sie war nur schwach von gelben, mit Fliegendreck bedeckten Glühbirnen beleuchtet; drinnen saß ein alter Mann in Mantel und Galoschen, der ein Traktat durchlas. Methodisch blätterte er mit einem zitternden angefeuchteten Finger eine Seite nach der anderen um. Richards konnte seinen pfeifenden Atem bis zum Fahrstuhl hören und empfand dabei eine Mischung aus Mitleid und Entsetzen.
    Der Fahrstuhl hielt mit einem Ruck, und die Türen öffneten sich quietschend und nur zögernd. Als er hineinging, hörte er den Empfangschef nochmals mit lauter Stimme sagen: »Es ist eine Sünde und eine Schande. Ich würde sie alle in Käfige stecken.«
    Richards schaute auf, weil er glaubte, der Mann würde mit ihm sprechen, aber der blickte nur in die Luft.
    Die Empfangshalle war sehr leer und sehr still.

… Minus 072 Countdown läuft …
     
    Der Flur im vierten Stock stank nach Pisse.
    Der Korridor war eng genug, dass Richards klaustrophobische Anwandlungen bekam, und der Teppich, der einmal rot gewesen sein mochte, war in der Mitte bis auf die Webschnüre ausgetreten. Die Türen waren Einheits-Grau, und viele zeigten Spuren von Tritten, Schlägen oder Brecheisen. Alle zwanzig Schritte verkündete ein Schild: RAUCHEN FEUERPOLIZEILICH VERBOTEN. In der Mitte des Flures, wo sich das gemeinsame Badezimmer befand, wurde der Uringestank beißend. Es war ein Geruch, den Richards automatisch mit Verzweiflung verband. Leute bewegten sich rastlos hinter den Türen, wie Tiere in ihren Käfigen – zu furchteinflößende, zu gefährliche Tiere, um sie herauszulassen. Jemand johlte betrunken ein Lied vor sich hin, das wie das Ave Maria klang. Er wiederholte es wieder und wieder. Hinter einer anderen Tür hörte er seltsame schmatzende Geräusche. Aus dem nächsten Zimmer tönte ein Country-Song (I ain’t got a buck for the phone / and I’m so alone …). Schlurfende Geräusche. Das einsame Quieken einer Bettfeder, das bedeuten konnte, dass ein Mann die Sache selbst in die Hand genommen hatte. Schluchzen. Gelächter. Das hysterische Gekreisch eines betrunkenen Streits. Und hinter anderen Stille. Und Stille. Ein Mann mit grauenhaft eingesunkener Brust

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