Menschenjagd
tauchte Richards’ Bild auf, ein hartes, kaltes Gesicht, dem jegliche Gefühlsregung abging, bis auf seine Augen, in denen so etwas wie Mordlust leuchtete. »Fünf Polizisten, fünf Ehefrauen, neunzehn Kinder. Das macht siebzehn Dollar und fünfundzwanzig Cent für jeden der Toten, der Trauernden und der Todunglücklichen. O ja, du arbeitest sehr billig, Ben Richards. Selbst Judas bekam für seinen Verrat dreißig Silberlinge, aber du verlangst nicht einmal so viel. Irgendwo da draußen muss jetzt eine weinende Mutter ihrem kleinen Jungen klarmachen, dass sein Daddy nie wieder nach Hause kommen wird, weil ein durch und durch verdorbener, habgieriger Mann mit einer Waffe …«
»Mörder!«, schrie eine Frauenstimme schluchzend. »Dreckiger, gemeiner Mörder! Gott wird dich dafür bestrafen!«
»Schlagt ihn tot!«, schrie das Publikum, während Thompson anstimmte: »Merkt euch diesen Mann! Er hat sein Blutgeld erhalten – doch wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen. Lasst jeden Mann seine Hand gegen Benjamin Richards erheben!«
Die gellenden Stimmen waren von Angst und Hass erfüllt und steigerten sich zu einem gleichmäßigen, rhythmischen Gebrüll. Nein, sie würden ihn nicht ausliefern. Sie würden ihn an Ort und Stelle in Stücke reißen.
Bradley schaltete das Free-Vee aus und sah ihn an. »Das kommt auf dich zu, Mann. Wie fühlst du dich dabei?«
»Vielleicht werde ich sie umbringen«, sagte Richards nachdenklich. »Vielleicht schaffe ich es noch, bevor ich erledigt bin, in das neunzigste Stockwerk des Wolkenkratzers einzudringen und die Maden, die diesen Text verfasst haben, zur Strecke zu bringen. Vielleicht bringe ich sie einfach alle um.«
»Hört auf damit!«, rief Stacey plötzlich verzweifelt. »Hört auf, darüber zu reden!«
Im Nebenzimmer schlief Cassie ihren benebelten Todesschlaf.
… Minus 061 Countdown läuft …
Bradley hatte es nicht gewagt, Luftlöcher in den Boden des Kofferraums zu bohren. Richards hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und versuchte, Nase und Mund an das kleine Loch zu pressen, durch das ein wenig Licht und Luft hereinkam – das Schlüsselloch des Kofferraums. Bradley hatte zusätzlich ein bisschen von der Dichtung des Kofferraumdeckels abgezogen, sodass wenigstens ein bisschen Luftzug hereinkam.
Der Wagen fuhr mit einem Ruck an, und er knallte mit dem Hinterkopf gegen den Kofferraumdeckel. Bradley hatte ihm gesagt, dass die Fahrt mindestens anderthalb Stunden dauern würde, zwei Stopps an den Straßensperren mitgerechnet, Vielleicht auch mehr. Bevor Bradley den Deckel zugeschlagen hatte, hatte er ihm noch einen großen Revolver hineingereicht.
»Sie halten jedes zehnte oder zwölfte Auto an, um es genauer zu untersuchen«, hatte er erklärt. »Dann öffnen sie den Kofferraum und stochern darin herum. Das sind ganz gute Chancen, elf zu eins. Wenn es nicht klappt, schnapp dir wenigstens ein Stück Bullenfleisch.«
Der Wagen rumpelte über die löchrigen, buckligen Straßen der Innenstadt. Einmal hörte er das höhnische Lachen eines Kindes und einen Asphaltbrocken, der gegen das Autoblech knallte. Dann wurde der Verkehr um sie herum stärker, und der Wagen musste häufiger vor einer Ampel halten. Richards lag reglos im Dunkeln, hielt den Revolver locker in der rechten Hand und dachte daran, wie sehr sich Bradley durch den Bandenanzug verändert hatte. Es war ein gedeckter Dillon-Street-Zweireiher, so grau wie die Wände eines Bankgebäudes. Der Eindruck wurde durch einen kastanienbraunen Schlips und eine kleine goldende NAACP-Nadel abgerundet. Bradley hatte sich aus einem schmuddeligen Bandenmitglied (schwangere Damen, aufgepasst; unsereins frisst Fetusse) in einen korrekten schwarzen Geschäftsmann verwandelt, der seine Onkel-Tom-Rolle perfekt beherrschte.
»Du siehst gut aus«, hatte Richards bewundernd festgestellt. »Donnerwetter, das macht unglaublich viel aus.«
»Gelobt sei Gott«, hatte Ma gesagt.
»Ich hatte mir schon gedacht, dass meine Verwandlung Ihnen gefallen würde, mein Lieber«, hatte Bradley mit gelassener Würde erwidert. »Gestatten Sie? Ich bin der Bezirksmanager von Raygon Chemicals, wissen Sie. Wir betreiben ein aufblühendes Geschäft in dieser Gegend. Boston ist eine schöne Stadt. Ausgesprochen gastlich.«
Stacey hatte losgekichert.
»Du hörst besser auf zu lachen, Nigger«, hatte Bradley gesagt. »Sonst lasse ich dich in deinen Stiefel scheißen und die Scheiße fressen.«
»Du bist so verdammt gut als Onkel
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