Menschenjagd
KLAREN SICHT VERPFUSCHEN WIR ES NICHT!
Der Streifenwagen traf die Mauer mit hoher Geschwindigkeit im Flug und explodierte.
Aber andere waren schon unterwegs; immer waren andere unterwegs.
Keuchend hüpfte Richards zu dem Luftauto zurück. Sein gesundes Bein war sehr müde.
»Ich bin verletzt«, stöhnte Parrakis leise. »Ich bin schwer verletzt. Wo ist meine Mutter? Wo ist meine Mama?«
Richards kniete sich hin, wand sich unter den Wagen und begann wie ein Verrückter Abfall und Schutt aus den Luftkammern zu ziehen. Das Blut aus seiner gebrochenen Nase lief ihm die Wangen hinunter und sammelte sich neben seinen Ohren.
… Minus 048 Countdown läuft …
Der Wagen lief nur noch auf fünf der sechs Zylinder, schaffte nicht mehr als sechzig und hing dabei schräg in der Luft, als wäre er betrunken.
Parrakis dirigierte ihn vom Beifahrersitz aus, auf den Richards ihn manövriert hatte, durch die Stadt. Die Lenksäule war beim Aufprall wie ein Schwellennagel in seinen Bauch gefahren, Richards war der Meinung, er würde sterben. Das Blut auf dem verbogenen Lenkrad klebte warm an Richards’ Händen.
»Es tut mir wirklich sehr leid«, sagte Parrakis. »Hier links abbiegen … es ist alles meine Schuld. Ich hätte es besser wissen müssen. Sie … sie kann nicht mehr klar denken. Sie ist nicht …« Er hustete einen schwarzen Blutklumpen hoch und spuckte ihn teilnahmslos in seinen Schoß. Die Sirenen heulten immer noch durch die Nacht, doch jetzt waren sie weit hinter ihnen und ein Stück im Westen. Sie waren auf dem Marginal Way stadtauswärts gefahren, und Parrakis hatte ihn auf Seitenstraßen gelotst. Jetzt befanden sie sich auf der Route 9 und fuhren nach Norden. Die Vorstädte von Portland gingen langsam in eine kahle Herbstlandschaft über. Die Holzwilderer waren wie Heuschrecken über die Landschaft hergefallen, übrig geblieben war nichts als armseliges Buschwerk und Marschland.
»Weißt du eigentlich, wohin du mich hier lotst?«, fragte Richards. Sein Körper schmerzte von Kopf bis Fuß. Er war sich ziemlich sicher, dass der Knöchel gebrochen war, und bei der Nase gab es nicht den geringsten Zweifel. Sein Atem ging mit flachen Schnaufern hindurch.
»Zu einem Ort, den ich kenne«, sagte Elton und spuckte noch mehr Blut. »Sie hat immer zu mir gesagt, dass der beste Freund eines Jungen seine Mutter wäre. Können Sie sich das vorstellen? Ich hab ihr immer geglaubt. Werden sie ihr wehtun? Sie ins Gefängnis stecken?«
»Nein«, antwortete Richards kurz, aber er wusste es natürlich auch nicht. Es war zwanzig vor acht. Als Elton und er die blaue Tür verlassen hatten, war es gerade zehn nach sieben gewesen. Ihm kam es so vor, als wären inzwischen Jahrzehnte vergangen.
In weiter Ferne schlossen sich weitere Sirenen dem allgemeinen Chor an. Die Unsäglichen auf der Jagd nach dem Ungenießbaren, dachte Richards unzusammenhängend. Wenn du die Hitze nicht verträgst, verschwinde aus der Küche. Er hatte im Alleingang zwei Polizeiwagen ausgeschaltet. Wieder ein Bonus für Sheila. Blutgeld. Und Cathy? Würde Cathy krank werden und an der Milch sterben, die mit Kopfgeld bezahlt wurde? Wie geht es euch, meine Liebsten? Ich liebe euch. Hier auf dieser verrückten kurvenreichen Landstraße, die nur für Wilddiebe und Liebespaare geeignet ist, die einen guten Platz zum Knutschen suchen, liebe ich euch und wünsche euch, dass ihr heute Nacht gut träumt. Ich wünsche …
»Links abbiegen«, krächzte Elton.
Richards bog links in eine geteerte Straße ein, die durch ein wirres, blattloses Gestrüpp von Sumach und Ulmen, Kiefern und Fichten und schrecklich struppigem Sekundärwald führte. Ein faulig nach Schwefel stinkender, mit Industrieabfällen verseuchter Fluss stach ihm in die Nase. Skelettartige Zweige kratzten kreischend über das Autodach. Sie fuhren an einem Schild vorbei: SUPER-PINE-TREE-EINKAUFSZENTRUM – BAUSTELLE – BETRETEN VERBOTEN! – ELTERN HAFTEN FÜR IHRE KINDER!!
Sie kamen über eine Hügelkuppe, und da war es, das Super-Pine-Tree-Einkaufszentrum. Die Bauarbeiten sind bestimmt schon vor zwei Jahren eingestellt worden, dachte Richards, und da waren sie noch nicht sehr weit gediehen. Die Baustelle war ein Labyrinth, ein Rattenbau aus halb fertigen Läden und Geschäften, liegen gelassenen Rohren, Brettern, Ziegelsteinen und eingestürzten Bauhütten, verrosteten Wellblechhütten, alles überwuchert von struppigen Wacholder- und Lorbeersträuchern, Hexengras und Krüppelkiefern, Brombeere und
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