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Menschenjagd

Menschenjagd

Titel: Menschenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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überqueren, doch beim dritten Mal war die Behelfskrücke auf dem unebenen Bachgrund abgerutscht, und er war der Länge nach ins Wasser gefallen. Die Kamera war natürlich unversehrt. Sie war sowohl wasserdicht als auch stoßsicher. Natürlich.
    Allmählich wurde das Unterholz spärlicher. Richards kroch auf allen vieren vorwärts. Als er sich so weit genähert hatte, wie er es sich erlauben konnte, ohne gesehen zu werden, sondierte er die Lage.
    Er war auf einer leichten Erhebung, einer Art Halbinsel in dem dichten Buschgelände, durch das er gekommen war. Unter sich sah er die Straße, die Gruppe von ranchähnlichen Häusern und einen Laden mit Luftzapfsäulen. Ein Wagen stand gerade davor, der Fahrer, ein junger Mann in einer Wildlederjacke, unterhielt sich mit dem Tankwart, während sein Wagen befüllt wurde. Neben dem Ladeneingang, hinter einer Reihe von Kaugummi- und einem Marihuana-Automaten, hing ein blau-roter Briefkasten. Er war nur zweihundert Meter von ihm entfernt. Während er ihn betrachtete, dachte Richards bitter, dass er die Bänder vermutlich unbemerkt hätte einwerfen können, wenn er vor Tagesanbruch hier gewesen wäre.
    Das Kind war in den Brunnen gefallen und so weiter. Es war wie verhext.
    Er zog sich wieder ins Unterholz zurück, sodass er die Kamera aufstellen und seine Aufnahmen machen konnte, ohne dabei gesehen zu werden.
    »Hallo, ihr tollen Leute da draußen im Free-Vee-Land«, begann er. »Hier ist wieder euer lieber Freund Ben Richards, der euch auf seiner jährlichen Wanderung durch die unberührte Natur mitnimmt. Wenn ihr genau hinseht, seht ihr vielleicht den furchtlosen Scharlachtangara oder einen großen gesprenkelten Kuhvogel. Möglicherweise sogar einen gelbbäuchigen Schweinevogel oder auch zwei.« Er schwieg einen Augenblick. »Diesen Teil lassen sie vielleicht durchgehen, aber nicht den Rest. Wenn Sie taub sind und von den Lippen ablesen können, merken Sie sich, was ich jetzt sage. Sagen Sie es einem Freund weiter oder Ihren Nachbarn. Verbreiten Sie die Nachricht. Das Network verpestet die Luft, die Sie alle atmen, und enthält Ihnen billige Schutzfilter vor, weil …«
    Er nahm zwei Kassetten auf und steckte sie in seine Hosentasche. So weit, so gut. Was nun? Die einzige Möglichkeit war wohl, mit dem Revolver in der Hand hinunterzugehen, die Bänder einzuwerfen und abzuhauen. Vielleicht einen Wagen zu klauen. Es war ja nicht so, dass sie nicht sehr bald herausfinden würden, wo er war.
    Beiläufig fragte er sich, wie weit Parrakis wohl gekommen war, bevor sie ihn geschnappt hatten. Er hatte den Revolver gerade aus der Tasche gezogen, als er eine Stimme hörte, so nah und deutlich, als spräche sie in sein linkes Ohr: »Na los, Rolf!«
    Er zuckte zusammen, als er lautes Hundegebell hörte, und hatte gerade noch genug Zeit zu denken: Polizeihunde! Himmel, sie haben Polizeihunde!, bevor etwas Großes, Dunkles aus dem Gebüsch hervorbrach und ihm an die Brust sprang.
    Richards fiel auf den Rücken, und sein Revolver flog in die Büsche. Der Hund stand mit den Vorderpfoten auf seiner Brust, ein großer Deutscher Schäferhund mit einem großzügigen Schuss Promenadenmischung. Er leckte ihm übers Gesicht und spielte mit seinem Hemdkragen. Sein Schwanz wedelte freudig hin und her wie eine Signalflagge.
    »Rolf! He, Rolf! Rol… O mein Gott!« Richards konnte ein Paar rennende Beine in Jeans sehen und dann einen Jungen, der den Hund am Halsband fasste und von ihm wegzog. »Herrgott, tut mir leid, Mister. Herrgott, er beißt nicht. Er ist viel zu dumm zum Beißen. Er ist ein ganz braver Hund, kein … Gott, Sie sehen aber runtergekommen aus. Haben Sie sich verlaufen?«
    Der Junge hielt Rolf am Halsband fest und musterte Richards mit offenem, interessiertem Blick. Er war ein gut aussehender Junge, kräftig gebaut, vielleicht elf Jahre alt, und er hatte nicht dieses blasse und fleckige Gesicht der Stadtkinder. In seinen Zügen lag etwas Fremdartiges und doch Vertrautes. Es dauerte einen Augenblick, bis Richards erkannte, was es war: Unschuld.
    »Ja«, sagte er trocken. »Ich habe mich verlaufen.«
    »Donnerwetter, Sie müssen ein paarmal ganz schön hingefallen sein.«
    »Das stimmt, mein Freund. Könntest du dir mal mein Gesicht etwas genauer ansehen, ob es sehr zerkratzt ist? Ich selbst kann es ja nicht.«
    Der Junge beugte sich gehorsam über ihn und untersuchte sein Gesicht sorgfältig. Er schien Richards nicht zu erkennen, was diesen sehr beruhigte.
    »Es ist ganz schön

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