Menschenskinder
wohin genau werden wir fliegen?«
Das allerdings wusste Hannes auch noch nicht.
Während der nächsten zwei Wochen gerieten die Urlaubeplanungen etwas in den Hintergrund. Man muss ja Prioritäten setzen. Bei mir hießen sie Vanillekipferl kontra Dimakya – jene Insel, in die sich Hannes verguckt und gleich am übernächsten Tag gebucht hatte. Die hausfraulichen Pflichten siegten. Zumindest bei mir. Doch während ich winzige Hörnchen auf das Backblech praktizierte und mit Zuckerkrümeln bestreute, träumte ich von dem kleinen Eiland, das laut Katalog »naturbelassen, aber trotzdem mit allem modernen Komfort ausgestattet« sein sollte und seinen »internationalen Gästen ungestörte Erholung« versprach. Mehr wollte ich ja gar nicht.
Steffi hielt mich jetzt nur noch telefonisch auf dem laufenden, denn obwohl meine drei weiblichen Nachkommen inzwischen alle einen eigenen Haushalt und mindestens ein Dutzend Kochbücher haben, sind sie nach wie vor der Meinung, für die Weihnachtsbäckerei sei allein ich zuständig. Natürlich backen sie auch selber, aber nur für den eigenen Bedarf. Dabei sind wir früher wenigstens nur sieben Personen gewesen, inzwischen haben wir uns nahezu verdoppelt! Und alle essen Plätzchen! Am liebsten meine!
Beinahe hätten wir – oder zumindest ich! – auf die Reise verzichtet, und das nur, weil Rolf doch tatsächlich ernsthaft überlegt hatte, ob er nicht vielleicht doch noch mal »in die Tropen« mitkommen sollte, denn der Prospekt hatte unter anderem auch den ungeheuren Fischreichtum in jener Gegend hervorgehoben. Sofort hatte ich Steffi angerufen. »Stell dir vor, dein Vater will mit nach Dimakya und Barrakudas angeln.«
Ich hörte förmlich, wie sie den Atem anhielt. »Hast du ihm denn nicht gesagt, dass die Durchschnittstemperatur 30 Grad beträgt?«
»Natürlich, aber er meint, wenn man mit einem Boot ein bisschen aufs Meer fährt, wird es gleich kühler, weil es da immer windig sei.«
»So ein Quatsch! Kann er sich denn nicht mehr an Kenia erinnern?«
Offenbar konnte er das nicht. Dabei hatte er seinerzeit schon nach drei Tagen über die Hitze gejammert und über die Langeweile, nicht mal das Hochseefischen hatte ihm gefallen, weil ausgerechnet an seiner Angel nichts angebissen hatte, und wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätten wir nach längstens einer Woche wieder nach Hause fliegen müssen. Klappte aber nicht, weil wir zum Glück keinen Flug bekommen hatten.
»Also, das sag ich dir gleich«, moserte Steffi, »wenn Papi mitkommt, bleibe ich zu Hause!« Und dann, nach einer kurzen Pause: »Was meinst du, können wir ihm zu Weihnachten nicht alle zusammen eine Woche Eisfischen in Island oder irgendsowas Abartiges schenken? Ich hab das mal im Fernsehen gesehen. Die hacken da Löcher ins Eis und warten, bis was anbeißt. Riesendinger holen sie da raus. Da kann er seine dämlichen Barben glatt vergessen!«
»Na, ich weiß nicht, ob ausgerechnet Island die geeignete Alternative wäre. Da hätte er ja das andere Extrem: Dreißig Grad minus!«
»Na und? Dann kann er wenigstens nicht pausenlos meckern, sonst friert ihm der Atemhauch an den Bartstoppeln fest.«
»Stefanie, du bist herzlos!«
»Nee, bloß realistisch«, kam es prompt zurück. »Aber vielleicht kann ich ihm seine philippinischen Pläne noch madig machen. Ist er zu Hause?«
»Ja, oben in seinem Zimmer.«
»Okay, dann leg mal auf!«
Wenig später klingelte das Telefon, und wieder einmal bedauerte ich, dass ich mich vom anderen Apparat nicht in das Gespräch einklinken konnte. Dabei war ich es selbst gewesen, die seinerzeit auf einer Abhörsperre bestanden hatte; schließlich müssen Kinder und erst recht der Ehemann nicht unbedingt mitkriegen, wenn man sich mal wieder bei seiner besten Freundin ausschleimt. Also saß ich im Wohnzimmer, wartete auf das Klicken vom Telefon, das das Ende eines Gesprächs signalisiert, und blätterte zum x-ten Mal den Bademoden-Katalog durch. Einfach indiskutabel, was da so angeboten wurde! Entweder Beinausschnitt bis zur Hüfte, sieht ja wirklich sexy aus, kam für mich aber nicht mehr in Frage, oder die gemäßigteren Modelle, die fast nur variierten zwischen fliederfarben großgeblümt, schwarz gerafft und dunkeluni mit viel Gold am Busen. Eben jener Bereich war laut Beschreibung der jeweiligen Abbildung mit einer formgebenden Einlage oder einem stützenden Körbchen (bitte genaue Cup-Größe angeben, lieferbar bis D) ausgestattet, doch wer weder das eine noch das andere
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