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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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brauchte, hatte mit Zitronen gehandelt.
    Frage an die Textil-Industrie: Muss eigentlich jede Frau, die aus welchen Gründen auch immer auf den hohen Beinausschnitt verzichten will, mindestens Größe 44 tragen, einen Riesenbusen haben und eine Vorliebe für Blumendessins der Marke Geschenkpapier?
    Endlich klickte es im Apparat, und dann stand auch schon mein Ehemann im Zimmer. Erst überprüfte er die Raumtemperatur (sie zeigte akkurat 22 Grad, mehr durfte sie nicht, wozu gibt es Wolldecken?), dann griff er zur Zeitung, die er aber schon beim Frühstück vom Leitartikel bis zur vorletzten Seite mit genauer Schilderung der Weihnachtsfeier des Kaninchenzüchterverbandes durchgelesen hatte, trabte schließlich in die Küche und kam mit dem Kalender zurück. »Sag mal, will im Februar nicht der Gärtner wegen der Bäume kommen? Hast du hier irgendwo das Datum vermerkt?«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Du schreibst doch sonst alles auf.«
    »Habe ich ja. Im neuen Kalender. Der hier ist bloß noch sechzehn Tage lang gültig.«
    »Ach so, ja, natürlich.« Kurze Pause. Dann: »Weißt du das ungefähre Datum?«
    »Wovon?«
    »Na, vom Gärtner.«
    Scheinbar interessiert blätterte ich den Katalog zum dritten Mal durch. »Nein, da muss ich erst nachsehen. Weshalb ist das denn so wichtig?«
    Jetzt griff er zum Nussknacker, legte ihn jedoch gleich wieder hin, weil er keine Haselnüsse mag, die anderen aber schon alle gegessen hatte, zündete sich schließlich eine Zigarette an und kam zur Sache. »Die Birken müssen doch dringend beschnitten werden, nicht wahr?«
    Ich nickte bloß. Natürlich waren sie überfällig, von einem Baum hingen die Zweige schon auf den Balkon, zum Teil kamen sie der Rotbuche unseres Nachbarn ins Gehege, doch ich hatte mich immer der Illusion hingegeben, mein gärtnerisch vorgebildeter Erstgeborener würde sich der Sache mal annehmen. Hatte er auch. Im Herbst war er stirnrunzelnd durch den Garten marschiert, hatte was von Habitus, doppelter Krone und ähnlichem Fachchinesisch geschwafelt und uns nahe gelegt, spätestens im Frühjahr den Wildwuchs in geordnete Bahnen zu lenken.
    »Warum fängst du nicht gleich damit an?«, hatte sein Vater wissen wollen.
    Doch das hatte Sven rundheraus abgelehnt. Erstens hätte er gerade heute keine Zeit, zweitens das nötige Handwerkszeug nicht dabei, drittens keine fachmännische Hilfekraft, ohne die es bei solch einem Unternehmen gar nicht gehe, und überhaupt könne er das nicht mehr, weil er nämlich nicht schwindelfrei sei.
    »Ach nee, seit wann denn? Es ist doch noch gar nicht so lange her, dass du auf dem Dach spazieren gegangen bist, weil du diese dusslige Katze runterholen musstest! Die hätte das auch allein geschafft.« Ich hatte während dieser Kletterpartie unten gestanden, in einer Hand die Auto-Apotheke, in der anderen das Handy mit den eingespeicherten Notrufnummern, und jeden Moment damit gerechnet, dass mir mein Sohn vor die Füße fallen würde. Und plötzlich sollte er nicht mehr schwindelfrei sein? Zugegeben, die Bäume überragen das Haus um einiges, doch ob man nun aus fünfzehn Meter Höhe runterfällt oder aus zwanzig, ist doch egal, es sollen sogar schon Leute von der Fußbank gekippt sein und sich den Hals gebrochen haben. Später hatte Sven eingeräumt, dass ihm die Sache einfach zu mühsam sei, ganz abgesehen vom Problem der Baumschnittbeseitigung (das heißt wirklich so!), und wir sollten doch besser einen der örtlichen Gartenbaubetriebe damit beauftragen. »Die wollen ja auch leben.«
    »Warum ausgerechnet auf meine Kosten?«, hatte Rolf geknurrt, etwas von Kindespflicht gemurmelt und dann doch eine hiesige Firma angerufen. Die war jedoch für den Herbst schon ausgebucht, konnte aber im Februar noch Termine annehmen. »Später geht’s nicht mehr, weil der Saft in die Bäume steigt.«
    Weshalb man dann keine Äste mehr absäbeln kann, begreife ich zwar nicht, aber ich habe ja auch nicht verstanden, warum die früher als Unkraut bezeichneten Gewächse wie Brennnessel und Quecke neuerdings in so genannten Bio-Gärten als »Heilkräuter« kultiviert werden.
    »Noch mal können wir nicht bis zum Herbst warten«, nahm Rolf das Thema wieder auf, »aber wenn wir im Februar drei Wochen lang weg sind, ist doch niemand da, der die Leute reinlässt.«
    Aha, Steffis Intervention hatte offenbar Erfolg gehabt. Unser Familien-Eskimo wollte nicht mehr mit, konnte das aber nicht so ohne weiteres zugeben und suchte nach einer Ausrede. Feigling! Na warte, ganz

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