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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Stadtverkehr?«
    Hannes sagte gar nichts mehr, vielmehr hockte er mit ergebener Miene im Gras, den schmerzenden Rücken an den verkrüppelten Stamm eines unbekannten Gewächses gelehnt, und verwünschte den Tag, an dem er den Prospekt für Individualreisen in die Hände bekommen hatte. Verständlich, denn für Bandscheibengeschädigte war die hiesige Art der Personenbeförderung wirklich nicht das Gelbe vom Ei. Und noch immer war die Reise nicht zu Ende, denn ein seltsames Gefährt bog soeben um die … nein, nicht Ecke, die gibt es nur bei regulären Straßen, und das hier waren bessere Eselspfade – das Gefährt bog also um eine Kurve und blieb neben uns stehen. Es handelte sich tatsächlich um einen Bus, allerdings um einen, der wohl selbst in Manila die Toleranzgrenze jener für den Straßenverkehr zuständigen Behörde überschritten hatte und nur noch für den ländlichen Bereich taugte. Außer den Sitzen fehlte ihm nämlich so ziemlich alles, was ein Bus normalerweise haben sollte, Türen, Fensterscheiben, Haltegriffe – gar nicht zu reden von so luxuriösem Zubehör wie Innenbeleuchtung oder der in tropischen Ländern unerlässlichen Klimaanlage. Im Übrigen war der Bus voll. Auf dem Dach stapelten sich Koffer, Reisetaschen und seltsame Kartons, bewacht von zwei halbwüchsigen Knaben, die etwaiges im Abrutschen begriffenes Gepäck dem Fahrer jeweils durch laute Schreie signalisieren mussten, und im Inneren des Busses drängten sich Touristen und Einheimische zusammen. Irgendwie fanden wir auch noch Platz, besser gesagt ein Plätzchen auf dem Boden, doch das war nun schon egal, wir sahen sowieso aus, als hätten wir eine ZweiWochen-Expedition durch die südliche Sahara hinter uns, und genauso fühlte ich mich auch. Rätselhaft nur, woher das Dutzend Touristen kam, gar nicht zu reden von den Einheimischen, und vor allem, wo wollten sie bloß alle hin??? (Erst später erfuhren wir, dass Busuanga zu den etwas größeren Inseln gehört und an den Küsten besiedelt ist; an der Ostküste soll es sogar eine richtige Ortschaft mit einigen Geschäften geben.)
    »Den näschen Urlaub verbringe isch am Titischee«, murmelte Steffi. »Mit’m Auto sind losch von schu Hausche blosch anderthalb Schtunden!« Offenbar hatte sie auch eine Ladung Sand zwischen den Zähnen.
    »Wo willsch schu hin?«
    »Schwarzwald, Titischee.«
    Und wieder ein Schlagloch, gefolgt von einem Schrei auf dem Dach. Sofort hielt der Fahrer an, über unseren Köpfen schurrte und rüttelte es, danach mehrmaliges Klopfen, dann ging’s weiter. Bis zum nächsten Schlagloch.
    Wie lange wir so durch die Gegend geschaukelt sind, kann ich nicht mehr sagen, vermutlich nicht länger als eine halbe Stunde, aber von den 233 Knochen, die jeder Mensch haben soll, spürte ich inzwischen mindestens 215. Plötzlich hielt der Fahrer an, obwohl keine Warnung vom Dach gekommen war, rief nach hinten, dass wir uns jetzt alle fest halten müssten (wo denn bloß?), und dann ging es steil bergab. Wohin, konnte ich nicht sehen, ich hatte ja nur den Blick nach hinten, doch der reichte mir! Wir befanden uns auf einer Art Achterbahn, bloß ohne Schienen.
    Im Wageninneren Geschrei, auch von oben, ein Pappkarton fiel vom Dach, gefolgt von einer Reisetasche, egal, der Bus fuhr trotzdem weiter und kam erst nach etwa dreihundert Metern zum Stehen. »Last station!«, brüllte der Fahrer, zog geräuschvoll die Handbremse an (es gab tatsächlich eine!)
    und stieg aus.
    »Hat der sich nicht geirrt? Ist hier wirklich Endstation?«, zweifelte Steffi, nachdem sie sich umgesehen hatte. »Allmählich fürchte ich nämlich, wir haben im falschen Bus gesessen.
    Oder siehst du irgendwo das Meer?«
    Sie hatte Recht! Wir sollten doch zum Hafen gebracht werden, und ein solcher liegt bekanntlich … aber das hatten wir ja schon! Allerdings gab es ein bisschen Wasser, wenn auch’ nur in Form eines modrig riechenden, schlammigen Rinnsals. Sonst gab es nur noch eine Art Bahnwärterhäuschen, aus dem jetzt lauter Männer traten, auf den ersten Blick nicht gerade Vertrauen erweckend, auf den zweiten auch nicht, und erst recht nicht auf den dritten, denn da hatte sich schon jeder mit mindestens einem Gepäckstück bewaffnet und war losmarschiert – ab ins üppig wuchernde Grün, verfolgt von den wütend protestierenden männlichen Touristen (die weiblichen warteten erst einmal ab) und begleitet vom heimlichen Grinsen der einheimischen Fahrgäste. Kein Wunder, die hatten ihre Utensilien ja auch noch,

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