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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hielten Tüten und Kartons fest umklammert.
    »Nu man keene Panik, Leute«, klang es plötzlich in unverfälschtem Heimatdialekt aus der Bahnwärterhaustür, »det sind bloß die Träger, oder wollt ihr eure Klamotten selber schleppen? Nee? Det hab’ ick mir beinah jedacht! Nu beruhigt euch mal wieda, und denn loofen wa janz jemütlich hinterher.
    Allet klar?« Damit setzten sich hundert Kilo Lebendgewicht, bekleidet mit Shorts, einem ehemals weißen Hemd, Wanderstiefeln sowie einem schon etwas angefressenen Strohhut auf dem spärlich behaarten Kopf an die Spitze der Karawane, während das Schlusslicht von einem Einheimischen gebildet wurde, der wohl aufpassen musste, dass niemand zurückblieb. Freiwillig hätte das bestimmt niemand getan, denn nach einigen Metern Trampelpfad führten Stufen zu einem erstaunlich breiten Holzsteg. Ein armdickes Geländer rechts und links bot genügend Sicherheit, denn obwohl ein Sturz aus maximal zwei Metern Höhe bestimmt nicht gefährlich sein würde, wäre ich nur sehr ungern runtergefallen.
    Was da unten grünlich schimmerte, war ein fast ausgetrockneter Mangrovensumpf, und das Helle in dieser unansehnlichen Brühe waren abgestorbene Wurzeln, Plastiktüten, leere Mineralwasserflaschen und sonstiger Müll. Unser Führer blieb noch einmal stehen und überblickte prüfend die sich hinter ihm zusammenballende Menge.
    »Nee, Krokodile jibt’s hier nick, det is allet viel zu flach, rinjefalln is ooch noch keener, der Steg is’n halben Kilometer lang, denn sind wir am Fluss, und da jeht’s denn inne Boote.«
    Nach dieser Ansprache, die offenbar alle üblicherweise gestellten Fragen beantwortete, zog Alt-Berlin eine schon präparierte Tabakspfeife aus der Tasche, zündete sie an und stapfte, eine nicht sehr aromatische Wolke hinter sich herziehend, mit behäbigen Schritten los. Der Tross folgte. Kaum jemand sprach, wir trotteten in den unterschiedlichsten Phasen der Erschöpfung vor uns hin, bis Steffi plötzlich sagte: »Ist euch eigentlich klar, dass wir in neunzehn Tagen diese ganze Reise noch mal in entgegengesetzter Richtung machen müssen?«
    Endlich lichtete sich das silbrig-grün schimmernde Mangrovengewölbe ringsherum, der Steg senkte sich zu einem kleinen Strand, auf dem schon die nebeneinander aufgereihten Gepäckstücke standen. An dem kurzen Anlegesteg dümpelten drei Auslegerboote, jene Schiffchen also, bei denen die rechts und links vom Rumpf angebrachten hölzernen Stabilisatoren eine ruhige Fahrt garantieren und bei Seegang ein mögliches Kentern verhindern sollen. Unser Leithammel sammelte wieder seine Herde um sich. »Also, det war’s nu erst mal, wat jetzt kommt, is Erholung. Die freiwillije Transportjebühr für det Jepäck beträgt übrijens eenen Dollar pro Mann, aha nach oben is natürlich allet offen.« Dann sortierte er seine Schutzbefohlenen. »Wer nach X will, jeht in det erste Boot, die für Y in det zweete, und die andern in det letzte. Allet klar?«
    Wir drei waren die einzigen »anderen« und mussten über die zwei vorne liegenden Schiffchen klettern, bevor wir unseres entern konnten. Für Ungeübte gar nicht so einfach, denn Kähne, die nur am Bug mit einem simplen Strick (pardon, korrekt heißt das ja wohl Tampen oder so ähnlich) zusammengebunden sind, driften nämlich ziemlich weit auseinander. Beinahe hätte ich es sogar geschafft und wäre in den Teich gefallen, hätten mich nicht zwei kräftige dunkelhäutige Arme fest gehalten. »Welcome, madam!«
    Ich wurde vorsorglich zur Bank begleitet, unterm Sonnensegel geparkt und bekam eine eiskalte Flasche Mineralwasser in die Hand gedrückt. »You want something to eat?
    »Hat der eben was von essen gesagt?« Steffi plumpste neben mir auf die Bank. »Ich glaube, jetzt würde ich auch Erbsensuppe essen! Sogar mit Schweinepfötchen!«
    Dann musste sie wirklich Hunger haben! Ich kann mich nämlich nicht erinnern, dass sie jemals die ihr so verhassten gelben Erbsen gegessen hätte. Standen sie bei uns doch mal auf dem Speiseplan, weil Rolf -leider! – eine unbegreifliche Vorliebe dafür hat, dann lud sich Steffi schon einen Tag vorher bei einer Freundin ein oder legte ihr Taschengeld in Currywurst mit Pommes an.
    »Wo gibt’s Schweinepfötchen?«, tönte Hannes. »Lohnt sich ja gar nicht, da ist doch viel zu wenig dran! Ich könnte jetzt einen ganzen Schinken verdrücken!«
    Er musste sich dann aber doch mit einem Hühnersandwich zufrieden geben.
    Ein letztes Winken zu den beiden anderen Booten

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