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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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Ausländerfeindlichkeit befürchteten grüne
Politiker und Aktivistengruppen. Die Geschichte hätte ihn nicht weiter
interessiert. So etwas kam vor. Nicht oft, aber es passierte. Österreich war da
noch verhältnismäßig gut dran, wenn man so wollte. In Deutschland ging es ganz
anders zu. Darauf legte der Verfasser des Artikels wert.
    Er hatte sich ein Exemplar in der Trafik gekauft. Er konnte sich
nicht erinnern, wann er zuletzt für diese Zeitung bezahlt hatte. Doch diesmal
tat er es. Zu Hause hatte er sie sorgfältig auf den Küchentisch gelegt und
aufgeschlagen. Seite elf. Obere Hälfte. Der Bericht war noch immer da. Er las
ihn nicht durch.
    Er starrte auf das Bild.
    Langsam wuchsen daraus die Gestalten. Eine nach der anderen. Wie aus
einem undurchdringlich schwarzen See. Einem Ölsee. Dick und unergründlich.
Düster und verschmiert waren sie noch, anfangs. Mit der Zeit waren ihre
Gesichter klarer geworden. Eines nach dem anderen.
    Er wusste nicht, wie lange er so gesessen hatte. Dann starrte er
weiter. Sein Geist versenkte sich darin. Wurde ein Teil davon. Und alles war
wieder da. Jedes Detail. Jede Fratze. Jedes Gefühl. Sein ganzer Körper brannte.
    In dem Artikel stand wenig über den Tatort. Neunzehnter Bezirk, so
viel gaben sie preis. Im Internet fand er mehr. Er hatte sich ins Auto gesetzt
und war hingefahren. Beim ersten Mal fuhr er ganz langsam an dem Haus vorbei.
Er erkannte es wieder. Er umrundete den Block einmal, lenkte den Wagen wieder
in die Gasse. Diesmal hielt er in einer Parklücke. Regungslos blickte er
hinüber. Wie hatte er das verdrängen können?
    Nie war ihm in den Sinn gekommen, dass längst wer anderer in dem
Haus leben konnte. Er saß und wartete. Aus Minuten wurden Stunden. Es machte
ihm nichts aus, dass es im Wagen über vierzig Grad haben musste, seit er den
Motor und damit die Klimaanlage ausgeschaltet hatte.
    Am späten Nachmittag wurde er belohnt. Ein weißhaariger Mann verließ
das Haus. Er trug eine grüne Schürze über dem kurzärmeligen Hemd und einen
Strohhut. Ein Gärtner wie aus dem Hochglanzmagazin. Zwickte mit seiner Schere
ein paar Rosen ab und hielt das für Gartenkunst. Wie auch immer. Trotz der
veränderten Haltung erkannte er ihn sofort. Der Mann war älter geworden. Viel
älter. Nun denn. Das war er selber auch. Das Alter war gleichgültig. Egal!
    Im selben Moment hatte er seinen Entschluss gefasst. Nein, der
Entschluss hatte ihn gefasst. Er war schon immer da gewesen. Der Mann lebte.
Und er schnitt Rosen in seiner Villa. Jetzt würde alles gut werden. Ein
Zeichen. Er würde ein Zeichen setzen. Jeder sollte es sehen. Jeder.
    Er legte den Zeitungsausschnitt zur Seite. Das Bild. Sein Koffer war
voll. Bereit für die Reise. Zwei Baumwollmäntel, weiß. Sechs T-Shirts, weiß.
Sechs lange Hosen, weiß. Sechs Unterhosen, weiß. Sechs Hosen, schwarz. Sechs
langärmelige Leibchen, schwarz. Eine große Packung OP -Handschuhe.
Das alte Instrumenten-Set. Drei Scheren, sechs Skalpelle. Klemmen für die
Blutgefäße. Amputationssäge. Knochensäge. Wundhaken, Fasszange. Nadelhalter.
Nadel. Garn. Zwei Nirostaschüsseln. Drei Seifen. Ein Päckchen Rasierer, man
wusste nie. Sevofluran. Den Rest würde er dort finden.
    Er würde sie zu dem machen, was sie immer schon waren.
    Er schloss den Koffer. Warf noch einmal einen Blick durch die Räume.
Verließ die Wohnung, ging die vier Stockwerke hinab zum Auto. Lud den Koffer
auf die Rückbank. Fuhr los. In den neunzehnten Bezirk war es nicht weit. Der
Verkehr war schwach. Zwanzig Minuten später parkte er den Wagen in der
Gymnasiumstraße. Den letzten Kilometer ging er zu Fuß. Der Koffer mit seinem
Inhalt rollte auf kleinen Gummirädern hinter ihm her. Colloredogasse. Ein
Garten neben dem anderen. Kein Mensch zu sehen. Weiter bis zum Tor. Er läutete.
Wartete. Läutete noch einmal.
    Ja, bitte?
    »Guten Morgen, hier ist noch einmal die Polizei, wegen des Überfalls
auf den Mann in der Straße vorgestern Nacht. Darf ich hereinkommen und Ihnen
noch ein paar Fragen stellen?«
    Ein Moment der Spannung. Würde er damit durchkommen? Hineinkommen?
    Leise summend öffnete sich das Tor. Es war Samstagmorgen, neun Uhr
und sieben Minuten.

Die Bilder der Alten
    Sie stierte auf den baumelnden Körper.
    Keiner neben ihr konnte den Blick abwenden. Jeder auf seinem Platz,
rings um den langen Tisch, verfolgte das Schauspiel im dünnen Licht einer
Glühbirne. Drei weitere kleine Lampen glommen über dem Tisch und warfen tiefe
Schatten wie auf einem

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