Menschenteufel
zählen. Er war so etwas wie ein guter
Onkel für sie in dem Laden. Ohne ihn hätte sie keine drei Wochen überlebt. Er
war ihr einige Male in schwierigen Situationen zur Seite gestanden und hatte
manches Fettnäpfchen, in das sie arglos hatte springen wollen, geschickt aus
dem Weg geräumt. Zwar war er der Dienstälteste, ordnete sich aber ihrer Leitung
unter, im Gegensatz zum Rest der Truppe. Vielleicht erinnerte sie ihn an seine
Tochter, die mit ihrer Mutter nach Australien ausgewandert war, vielleicht war
es aber auch nur die Rockmusik, die sie beide verband. Valentina liebte die
Hardrock-Klassiker, und für Zirner war es die Musik seiner Jugend.
Vor Valentina, sauber drapiert auf einem Gipsimitat, das eine antike
römische Säule darstellen sollte, starrte kalt lächelnd ein hübsch
zurechtgemachter Frauenkopf herab. Es war bereits der dritte Schädel innerhalb
von anderthalb Wochen. Den ersten hatten sie in der Küche einer Pizzeria, die
sich »La Comtessa« nannte, keinen Kilometer vom jetzigen Fundort entfernt,
gefunden. Sie hatten die gesamte Restaurantbelegschaft auseinandergenommen.
Fehlanzeige. Alle hatten sie astreine Alibis.
Der zweite Frauenkopf war auf dem Tresen einer verlassenen Spelunke
mit dem verwegenen Namen »Bounty« gelegen; das war vier Tage später gewesen.
Und jetzt lagen wieder vier Tage dazwischen und prompt der dritte Schädel auf
dem Tablett.
»›Quattro Stagioni‹«, sagte Valentina.
»Was?«
»›Vier Jahreszeiten‹. Kennst du nicht? Von Vivaldi? Ist auch eine
Pizza.«
»Ja, ich weiß. Aber warum sagst du das? Hast du Hunger? Frag mal den
Spurensicherer draußen. Der erzählt dir was von Schnitzel.«
»Drei Schädel, immer im Abstand von vier Tagen. Vier Jahreszeiten.
Wenn wir einen vierten Schädel wollen, müssen wir nur warten, bis die nächsten
vier Tage um sind. Das ist doch schon mal was.«
»Makabre Spekulation?«
Valentina zuckte mit den Schultern. »Mehr habe ich noch nicht. Aber
ich spüre, dass es sich verdichtet.«
»Solche metaphysischen Fakten liebt der Staatsanwalt.«
»Ich mache noch ein paar Fotos, dann kann der Tatort gesäubert
werden.« Valentina zog eine Digitalkamera aus ihrer Outdoorjacke, um sich den
Frauenkopf und die Räumlichkeiten als Bilddateien zu sichern. Zwar war das der
Job der Spurensicherer, aber bei all den Knüppeln, die ihr in diesem Fall
bereits zwischen die Beine geworfen worden waren, wollte sie auf ihr eigenes
Material Zugriff haben.
Während sie die Fotos schoss, merkte sie, wie sich mit dem dritten
Frauenkopf eine innere Logik zusammenfügte. Wie in einer zu ergänzenden
Zahlenreihe, die man in Eignungstests fortzusetzen hatte.
Die ersten beiden Fundorte waren Gaststätten gewesen, beide lagen
auf der Brünner Straße. Dies war aber keine Gaststätte. Was war es dann?
Valentina sah sich um. Der Raum war leer. Irgendwann mal
ausgebrannt. Trockener Löschschaum haftete an Boden und Wänden. Bis auf die
Gipssäule und den Schädel war nichts da, abgesehen von einem Scheißhaufen in
der Ecke des Obdachlosen, der den Schädel gefunden hatte. Darum hatten sich
ihre Freunde aus der Forensik zu kümmern, dachte Valentina, und sie ertappte
sich bei einem leichten Lächeln. Es gefror jedoch gleich wieder, als sie daran
dachte, dass auch der Frauenschädel lächelte.
Warum? Die Frau musste Höllenängste und furchtbare Schmerzen gehabt
haben. Aber vermutlich war ihr der Kopf erst abgetrennt worden, als sie schon
tot war. Dann hätte sie keine Schmerzen gehabt. Warum aber dieses Lächeln? War
es ihr post mortem aufgesetzt worden? Auch bei den beiden anderen Frauen war
der Anflug eines Lächelns zu sehen gewesen, aber bei dieser hier war es am
deutlichsten. Waren sie vorher mit Drogen vollgepumpt worden? Die Forensik
hatte im Blut nichts gefunden. Hatten sie sich etwa auf ihren Tod gefreut?
Daran mochte Valentina gar nicht denken. Sie liebte das Leben. Und auch die
schönen Frauen, von denen sie bislang nur die Schädel kannte, strahlten im Tod
noch Lebensfreude aus.
Dass sie aber auch noch immer keine Namen hatten! Vermisste denn
niemand diese Frauen? Es musste doch Anzeigen geben von Verwandten oder
Freunden, denen eine Tochter, Schwester, Frau, Freundin oder sogar Mutter
abhandengekommen war. Alle drei Frauen waren um die dreißig Jahre alt und sahen
gut aus. So jemand hatte doch ein Netzwerk.
»Ihr könnt abräumen«, sagte Valentina zu dem Spurensicherer und
verließ den Raum.
Sie überquerte die Brünner Straße, um das Haus
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