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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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wie ihr die Luft wegblieb. Sie wollte schreien, doch das
Klebeband hinderte sie daran. Seit zwei Tagen hatte sie nichts gegessen.
Trotzdem kam ihr der Magen hoch. Sie durfte jetzt nicht erbrechen! Mit dem
zugeklebten Mund würde sie ersticken! Ihr ganzer Körper zuckte in dem
verzweifelten Versuch, die Blockade in ihrer Brust zu lösen.
    Der Mann in Weiß griff zu einem Skalpell und betrachtete es gegen
das Licht. Mit ruhiger Hand setzte er es an Alfred Wusters Leisten.

Eine klare Grenze
    »Komm her«, hauchte Claudia.
    In seiner Hose begann es zu kribbeln.
    »Bist du sicher, dass die Kinder schlafen?«
    »Romantiker!«
    »Sicher schlafen sie.« Er lenkte ihre Finger zurück dorthin, wo sie
aufgehört hatte. Das Kribbeln wurde stärker. Er wurde gierig. Claudia schien es
zu mögen. Sie lachte mädchenhaft. Wie in einer anderen Zeit. Vor den Kindern.
Vor den Karrieren. Vor Vaters Demenz. Als Spontaneität noch nicht gegen
Sicherheit abgewogen oder unmöglich wurde.
    Das Kribbeln wurde zu einem Vibrieren. Das Mobiltelefon in seiner
Hosentasche. Orientierungslos tappte er nach dem Gerät und den verblassenden
Traumbildern. Er musste es ausschalten, bevor es ihn endgültig aufweckte! Die
Störung würde Einbildung bleiben, der Traum Wirklichkeit.
    Er saß weich. An seiner rechten Schulter lehnte Claudias Kopf. Sie
schlief neben ihm auf der Hollywoodschaukel, ihre linke Hand in seine rechte
verschränkt. Er presste seine Augen zu, auf der Jagd nach den Illusionen.
Fieberhaft fingerte er in seine Hosentasche. Noch einmal blitzten die
Traumbilder auf: Claudias Mund, geöffnet zum Kuss.
    Die Nachtluft war fast kühl. Nur seine rechte Seite wurde von
Claudia gewärmt. Das Konzert der Grillen durfte sich ungestört von Autolärm und
anderen Stadtgeräuschen zu feinsten Tremoli aufschwingen.
    Das Mobiltelefon massierte ihn erneut. Endlich bekam er es zu
fassen. Schöpfer und Zerstörer seiner Träume. Verärgert warf er es von sich.
Mit einem Schlag war er hellwach. Auf dem verwitterten Tischchen vor ihm
glänzte eine fast leere Flasche Rotwein im Mondlicht. Rundherum war es
stockfinster. Seine Augen mussten sich erst daran gewöhnen. Sie fühlten sich
dick an.
    Wer sollte schon anrufen um diese Zeit? Die Einsatzzentrale
natürlich. Wie spät war es eigentlich? Irgendwo in Wien war eine Gewalttat
geschehen, vielleicht ein Mord. Doch Oberinspektor Laurenz Freund, heute Nacht
im Bereitschaftsdienst, hatte sein Mobiltelefon gerade in die Dunkelheit
geworfen. Natürlich hatte er den Klingelton ausgeschaltet und nur den
Vibrationsalarm aktiviert, damit Claudia und die Kinder im Fall eines Anrufes
nicht geweckt wurden.
    Ganz vorsichtig wand er seine Hand aus Claudias Griff. Mit einem
Seufzer ließ sie ihn los. Sachte rückte er zur Seite und ließ sie auf die
Sitzpolster gleiten. Wie ferngesteuert zog sie die Füße auf die Schaukel hoch,
schob eine Hand unter den Kopf, murmelte etwas Unverständliches und schlief
weiter.
    Der abnehmende Mond schob sich vollends zwischen die Wolken. Er
überzog das Gras und die umliegenden Weingärten mit hellem Samt. Der kühle Tau
im Gras erinnerte Laurenz Freund daran, dass er barfuß war. In gebückter
Haltung schlich er dorthin, wo er das Handy vermutete. Hoffentlich hatte er es
nicht in die Heckenrosen geworfen. Auf allen vieren kroch der Oberinspektor
durch das tauüberzogene Gras und tastete nach dem kleinen Plastikquader.
    Wien war Europas einzige Hauptstadt mit Weingärten. In einem, wenn
auch winzigen verbrachte er nun die heißen Sommernächte. Im Frühjahr hatten sie
endgültig die Hoheit über die Hütte mit kleinem Wiesfleck, größerem Gemüsebeet,
Obstgarten und zehn Rebzeilen am Fuß des Nussbergs übernommen. Freunds Vater
konnte sich nicht einmal mehr um sich selbst kümmern, geschweige denn um ein
Haus mit Garten. Kein Stadtlaut drang hierher.
    Als Erstes hatte Claudia den Rasen neu angelegt und Gärtchen und
Haus mit mannshohen Heckenrosen umgeben. Unter denen er sich jetzt Hände und
Arme zerkratzte.
    Von der Einrichtung des Dreizimmerhüttchens war wenig geblieben. Mit
geschmackssicherer Hand hatte seine Frau ein kleines Idyll geschaffen. Nur
Außenlicht hatten sie noch nicht. Abgesehen von einer Petroleumlampe, aber die
war leer. Sein einziges Suchlicht spendete der Mond. Zu allem Überfluss war das
Handy schwarz.
    Von hier aus gelangte er um diese Zeit schnell überall in Wien hin.
Wenn er endlich dieses verdammte Telefon fand.
    Seine Hand stieß an einen Stein. Als dieser

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