Menschenteufel
drängte sich in den Kreis und fixierte den Uniformierten.
»Haben die Nachbarn ein Alibi?«
Sein Blick sprang unruhig von Petzold zu den anderen und zurück.
»Ja. Gäste. Ich habe die Namen.«
»Wer Personenschutz braucht, hat vielleicht auch Überwachungskameras
installiert«, sagte Bohutsch.
Erleichtert darüber, sich vor dem Ranghöheren beweisen zu können,
hielt der Polizist eine DVD hoch.
»Hier sind die Aufnahmen der vergangenen zehn Stunden. Sie haben mir
die Monitore gezeigt. Zehn Stück. Die Leute haben was zu sichern. Allerdings
beobachten die nur das Grundstück, entlang der Zäune und vor dem Eingang. Nicht
die gegenüberliegende Straßenseite.«
»Wäre auch zu schön gewesen«, grollte Bohutsch.
»Vor allem zu dunkel«, bemerkte Petzold spöttisch.
Krischintzky griff nach der DVD , bevor
Petzold es tun konnte. »Die nehmen wir mit. Der Fall ist ab sofort unserer. Das
heißt, offiziell bleibt er natürlich vorläufig bei Ihnen, Doktor Pribil, wir
wollen ja die Pferde nicht scheu machen. Deswegen sind Sie sicher
einverstanden, wenn Frau Petzold uns zur Hand geht, indem sie hier die
Befragungen fortführt. Am besten besucht sie auch die Bewohner der benachbarten
Gassen.«
»Selbstverständlich«, erklärte Pribil.
Den Gefallen, sich über die Gutsherrenart der drei Männer zu ärgern,
würde Petzold ihnen nicht tun.
»Ist schließlich mein Job«, erklärte sie. Und mit einem jovialen
Stupser gegen Bohutschs Wampe: »In meinem Alter fällt einem das ja noch
leicht.«
Als Petzold sein Fluchen hörte, hatte sie die Gruppe bereits hinter
sich gelassen.
Festgefroren in der Zeit
Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Müde kehrte Lia Petzold
gegen sieben Uhr morgens ins Kommissariat zurück. Sie tippte ein kurzes
Protokoll und brachte es mit einem Tastendruck und einem stummen Fluch als E-Mail
auf den Weg zu den BVT -Beamten und Pribil. Sie
stellte den Computer ab und setzte sich in ihren altersschwachen Peugeot 205.
Am Himmel stand keine Wolke. Die Stadt durfte sich auf einen weiteren Tag im
Backofen vorbereiten. Auf dem Weg in den siebten Bezirk hielt sie am
Yppenmarkt. Bei einem Espresso zwischen den nach und nach öffnenden Ständen
ließ sie die Nacht Revue passieren. Das zunehmende Treiben und die Gerüche des
morgendlichen Marktes brachten sie auf andere Gedanken. Sie schlenderte weiter
über den Brunnenmarkt und sog tief die Melange aus exotischen Gewürzen, Oliven,
Schafskäse, frischem Gemüse und abgespritzter Straße ein. Bei den türkischen
Händlern kaufte sie Obst und ein Päckchen frischer Hühnerherzen.
Dann fiel ihr wieder ein, wohin sie noch wollte.
»Wir haben ihn die ganze Nacht operiert.« Der Arzt eilte ihr
durch den Flur voraus. Von der Decke strahlte kaltes Neonlicht. Menschen in
weißen Kitteln oder Bademänteln kamen ihnen entgegen. Manche saßen in
Rollstühlen, andere quälten sich mit Krücken, wieder andere zogen auf dünnen
Gestellen Infusionsflaschen wie Haustiere mit sich. Petzold hasste Spitäler
sowieso und die gigantischen Klötze des Allgemeinen Krankenhauses im neunten
Bezirk besonders.
»Jetzt liegt er im künstlichen Tiefschlaf. Da wird er ein paar Tage
bleiben.«
»Und dann wacht er auf?«
»Wissen wir noch nicht. Joch-, Stirn- und Schläfenbein sind
gebrochen, die Schädelbasis und der Kiefer ebenfalls. Wir mussten eine Drainage
einsetzen, um den Hirndruck zu verringern. Vier Rippen, das Brust- und ein
Schlüsselbein, zwei angeknackste Wirbel. Drei gebrochene Finger. Und dann
natürlich die Brust. Er hat sehr viel Blut verloren.«
Petzold reichte ihm eine Visitenkarte.
»Wenn er aufwacht, rufen Sie mich bitte sofort an. Egal zu welcher
Tages- oder Nachtzeit.«
Vor den Liften mussten sie lange warten. Der Arzt wusste nicht, was
er noch sagen sollte. Angestrengt studierten beide die Anzeige. Im
Intensivstockwerk ging es ruhiger zu. Nur das Personal war unterwegs. Kittel,
Socken, Schuhe, so weiß wie das Licht an der Decke. Die Patienten in ihren
Zimmern wirkten wie Anhängsel der Apparate, von denen sie umgeben waren.
Lebensmaschinen, dachte Petzold. Unheimlich.
Eine resolute kleine Person stellte sich als Schwester Daniela vor.
»Wollen Sie einen Tee? Einen Kaffee?«
Petzold lehnte dankend ab.
»Sie können nicht hinein.«
»Wissen Sie, hat er irgendetwas gesagt? Bevor er operiert wurde?«
»Haben Sie den Mann gesehen? Selbst wenn er gewollt hätte, aus
seinem Mund wäre höchstens Gurgeln, Stöhnen oder Schreien gekommen.
Entschuldigen
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