Menschliche Einzelteile (German Edition)
um, während Ewald wahllos in Regalfächern
herumwühlte und Schubladen aufriss. Wo, um Himmels Willen,
sollte hier etwas zu holen sein? Und wie kam Ewald darauf, hier
könnte Kohle versteckt sein? Das war doch nur so eine fixe Idee
von diesem Choleriker, sonst nichts.
Genau
in diesem Moment rief Detlev aus: „Hey, guckt mal, ich habe
was.“
Alle
fuhren zu ihm herum – sogar der Schinken und der Typ aus
Frankfurt. Ewald ließ ein leises „Na bitte“ hören.
Doch Detlev hielt nur eine DVD in die Höhe.
„ 'Menschliche
Einzelteile'“, verkündete er. „Klingt ganz gut. Da
geht bestimmt die Post ab.“
Alle
wandten sich mit einem Kopfschütteln ab. Der Typ aus Frankfurt
sagte: „Mannomann.“ Und ganz allmählich spürte
auch Remo, wie seine Nerven vor die Hunde gingen.
„ Jetzt
macht mal hin“, sagte er. „Wir stecken schon tief genug
in der Scheiße. Wenn wir jetzt abhauen und Berthold zum Arzt
schaffen, dann kommen wir vielleicht noch halbwegs sauber aus der
Geschichte raus.“
Ewald
ignorierte Remo völlig und wühlte weiter in Schränken
und Schubladen herum.
„ Mann,
Ewald, jetzt hör doch mal auf mit dem Scheiß. Die werden
wohl kaum ihre Kohle in einem von diesen Schränken aufbewahren.
Da könnten sie die Asche ja auch gleich in dieser Plastiktüte
hier herumliegen lassen.“
Remo
schnappte die Tüte vom Tisch und hob sie in die Höhe.
Schwer, das Ding. Was war da drin? Remo schaute nach – und
ließ beinahe seine Kanone fallen.
„ Ewald,
du musst nicht weiter suchen.“
Remo
langte in die Tüte. Als seine Hand wieder auftauchte, hielt sie
ein Bündel Geldscheine. Ewald warf Remo zunächst einen
genervten Blick zu. Dann schaute er noch einmal hin. Es sah aus, als
seien seine Augen kurz davor, unter den Augenwülsten hervor zu
kriechen und aus seinem Schädel zu plumpsen.
„ Ach
du Scheiße!“
„ Leute“,
rief Remo aus. „Das ist der Jackpot. Und jetzt nichts wie raus
hier.“
„ Finger
weg von der Tüte, ihr Pfeifen“, tönte die Stimme des
Alten aus der Diele. „Wenn ihr die Kohle oder die DVD anfasst,
dann mache ich euch zur Schnecke!“
Detlev
fand das offenbar saukomisch. Er rief: „Hähä, du
Blödmann. Wir haben deine Kohle und deine DVD. Damit hauen wir
jetzt ab und du kannst gaaaar nix dagegen machen.“
„ Genau“,
ergänzte Ewald. „Außerdem haben wir eine Geisel.
Wenn du uns nicht in Ruhe abziehen lässt, legen wir den Typen
um, der hier herumsteht.“ Er drehte sich zu dem Buben um. „So,
jetzt pass mal auf.“
Der
Bube kassierte von Ewald einen saftigen Schwinger in die Eingeweide.
Nicht saftig genug, um jemanden auf die Bretter zu schicken, aber
saftig genug, um jemanden Respekt einzuflößen.
Dann
schaute sich Ewald um.
„ Was
suchst du?“, fragte Remo.
„ Irgendwas,
was wir dem Typen über den Kopf ziehen können. Der soll ja
schließlich nicht sehen, wohin wir ihn bringen, oder?“
„ Hast
Recht.“ Remo schaute sich ebenfalls um. Sein Blick blieb
schließlich an einem Sofakissen hängen – einem
selten hässlichen Ding mit irgendeiner Kinderkritzelei darauf.
Sah aus wie eine Mischung aus einem Strichmännchen und einer
Taube. Außerdem sah es diesem komischen Typen sogar ein
bisschen ähnlich.
„ Wir
nehmen das hier.“ Remo schnappte das Kissen, riss die Knöpfe
auf und zog die Füllung aus dem Bezug heraus. Dann ging er mit
drei schnellen Schritten zu dem Typen hin und stülpte ihm den
Bezug über den Kopf.
Der
Typ sagte: „He!“
Remo
versetzte ihm einen kurzen Knuff, genau auf die Nase. Das
Strichmännchen bekam einen roten Fleck. Remo fand das lustig.
„ Okay,
aber jetzt raus hier. Schinken, Typ aus Frankfurt, Ihr schnappt euch
Berthold. Ewald, du passt auf unsere Geisel auf. Depplev und ich
geben Rückendeckung.“
Ewald
langte nach der Plastiktüte, doch Remo zog sie im letzten
Moment weg.
„ Die
nehme ich!“
Die
beiden Männer starrten sich Sekunden lang an. Dann sagte Ewald:
„Okay“ und ging nach draußen.
7. Ärztliche Betreuung
So
war Sören also in seine Lage geraten. Ob es nun seine späte
Abkehr von den Windeln, seine Vorliebe für Nudelsuppe oder
Tante Evys niedriger Blutdruck war – die genaue Ursache für
Sörens Lage sollte niemals exakt geklärt werden. Genau
genommen interessierte sie auch niemanden, Sören
eingeschlossen. Er saß einfach still und leise in der hinteren
Ecke des fahrenden Infernos und hoffte, die Schmerzen an Nase und
Magengrube blieben die einzigen an diesem Abend.
„
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