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Menu d'amour

Menu d'amour

Titel: Menu d'amour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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mich an und ihre Augen schimmerten wieder in diesem dunklen Aquamarinblau.
    »Ich muss dir etwas sagen«, sagte sie.
    »Ja?« Mein Mund war plötzlich ganz trocken.
    »Ich habe jemanden kennengelernt.« Etwas blinkte in ihren Augen und sie wischte es rasch weg, bevor sie nach meiner Hand griff. »Ach, Henri! Es … es tut mir so leid. Bitte lass uns Freunde bleiben.«
    Ich saß da wie vom Donner gerührt und versuchte vergeblich, den Sinn ihrer Worte zu erfassen, während das Herz mir mit einem dumpfen Schlag in die Magengrube fuhr.
    Valérie senkte den Kopf und schaute unglücklich zur Seite. Ihr Halstuch war verrutscht, und jetzt sah ich es – diesen verräterischen blauen Fleck an ihrem Hals, den sie gnädigerweise vor mir hatte verbergen wollen.
    »Aber … was ist mit Paul? Ich dachte …«, stammelte ich hilflos.
    »Paul ist mein Cousin. Das sagte ich doch.«
    »Und wer …« Ich sah sie an und machte den Mund wieder zu. Ich brachte keinen vollständigen Satz mehr zustande, weil eine Stimme in meinem Kopf übermächtig wurde, die immerzu »Idiot!« schrie.

8
    Die nächsten Wochen waren die Hölle, Sartre war ein Witz dagegen. Ich taumelte zwischen unerbittlichen Selbstvorwürfen und rasender Eifersucht durch den Tag. Ich war zu spät. Zu spät  – das Wort klatschte mir ins Gesicht wie eine Ohrfeige. Mit masochistischer Grausamkeit ließ ich mir alles von Valérie erzählen und gab vor, mich für sie zu freuen, während mein Herz verblutete.
    Er hieß Alessandro di Forza, war Italiener, zehn Jahre älter als ich, mit einem schneeweißen Boot und einem verwegenen Grinsen. Eines der angesagten Grandhotels an der Riviera gehörte seiner Familie. Er war ein cleverer Geschäftsmann, er war der geborene Verführer, er war eine gute Partie – mit einem Wort, er war alles, was ich nicht war.
    Ich hatte nicht den Hauch einer Chance, und diese Erkenntnis machte mich wahnsinnig. Stundenlang lief ich am Ufer der Seine entlang, um einen Weg zu finden, wie ich mit der Tatsache umgehen sollte, dass ich das Mädchen, das ich hätte lieben können wie keine andere, verloren hatte.
    Ich beschloss, Valérie Castel aus meinem Leben zu streichen. Ich wollte, ich konnte sie nicht mehr sehen. In den folgenden Wochen ging ich ihr aus dem Weg. Ich schaute zur Seite, wenn sie zu spät ins Seminar kam. Ich stürzte aus der Vorlesung, sobald Professor Caspari seinen letzten Satz gesprochen hatte, ich bog in eine andere Richtung ab, wenn ich sie kommen sah, und hielt mich von den Cafés fern, in denen sie gern mit den anderen saß. Ich redete mir ein, dass das alles zu meinem Besten war. Und ich vermisste das Mädchen mit den aquamarinfarbenen Augen so sehr, dass ich kaum noch in der Lage war, irgendetwas zu tun.
    Ausgerechnet die schüchterne Camille war es, die sich mir eines Tages am Ausgang der Universität in der Rue Victor Cousin in den Weg stellte. Sie schüttelte ihren schwarzen Pagenkopf und sah mich aus ihren dunklen Augen vorwurfsvoll an. »Was soll das, Henri? Warum ziehst du dich so zurück? Wir finden es alle sehr schade, dass du überhaupt nichts mehr mit uns machst.«
    »Tja«, sagte ich knapp und fasste an den Riemen meiner Umhängetasche. »Ich find’s auch schade.«
    Camille legte ihre Hand auf meinen Arm. »Valérie findet es auch schade«, sagte sie bedeutungsvoll.
    »So?«, entgegnete ich und presste die Kiefer gegeneinander. »Und warum sagt sie mir das nicht selbst?«
    Camille überging meine Frage. »Ihr wart doch immer so gute Freunde«, meinte sie dann.
    »Die Dinge ändern sich eben. So einfach ist das.« Ich zog meinen Arm weg, doch die zarte Camille ließ sich nicht abschütteln.
    »Nein, so einfach ist das nicht«, sagte sie, während sie ein paar Schritte neben mir herlief. »Du machst einen Fehler, Henri.«

9
    Machte ich einen Fehler? Camilles Worte klangen in mir nach, und nachdem ich ein paar Tage mit mir gerungen hatte, gab ich zu, dass es so war. Ich führte mich auf wie ein beleidigtes Kind. Und war es – trotz allem – nicht besser, Valérie zu sehen, als sie nicht zu sehen? Sie war doch so viel mehr für mich als ein begehrenswerter Körper und ein paar schöne Augen. Ich liebte sie wegen ihrer unmöglichen Ausreden, die ihr keiner glaubte. Ich liebte die unerträgliche Detailversessenheit, mit der sie über Bücher sprach, selbst dann noch, wenn alle anderen schon schrien: »Bitte nicht alles verraten, Valérie, wir wollen es doch selbst noch lesen!« Ich liebte es, wie sie ihre

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