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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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aufrichten, die ich in jeder Menschenmenge herausspüren würde, aber ich falle bereits wieder, falle …
    Die Beine versagen mir, ich bin der personifizierte Schwindel.
    „Nur das Hier und Jetzt“, keuche ich, als könnte ich mich schützen, indem ich diese Worte ausspreche, „nur das Hier und Jetzt existiert.“
    Das habe ich mir in meinem Leben als Irina eingehämmert, als ich dachte, dass Luc tot sei und ich Ryan nie wiedersehen würde. Vielleicht ist es die einzige Wahrheit in einer Welt wie dieser: dass der Augenblick, den wir leben, das Einzige ist, dessen wir uns wirklich sicher sein können.
    „Ja, genau“, sagt Ryan flehentlich. „Das sag ich doch. Ich will nur mehr Zeit mit dir, das ist alles.“
    Ich breche in hysterisches Gelächter aus.
    „Wir müssen uns irgendwie ein Leben schaffen“, beharrt Ryan. „Das hat der Riesentyp mit dem Riesenschwert selber gesagt. Er hat mir befohlen, in der Menschenwelt auf dich aufzupassen, und das heißt doch, dass deine Zeit auf der Erde noch nicht vorbei ist. Und er glaubt, dass ich dir helfen kann. Irgendwie.“
    Ich muss lachen, als ich sein eifriges Gesicht sehe, und mir wird schlagartig bewusst, dass er das Liebste und Beste ist, was mir je begegnet ist. Dann gerät die Welt endgültig aus den Fugen, kreist immer schneller und schneller, und ich spüre, wie seine Hände wieder an mir abgleiten.
    „Wir nehmen einfach das Hier und Jetzt“, sagt Ryan, „wir dehnen es aus und machen eine ganze Zeitkette daraus, die uns zusammenschweißt.“
    Kaum hörbar sage ich: „Der Riesentyp mit dem Riesenschwert ist der Erzengel Michael und er überschätzt seine Macht über mich. Ich kann auf mich selber aufpassen, das habe ich in der Menschenwelt lange genug bewiesen, ohne jede Hilfe von außen. Jedes Mal, wenn sie mich in einem neuen Körper versteckt haben, blieb die ganze Arbeit an mir hängen. Ich allein musste wieder von vorne anfangen und alles neu erfinden. Glaub mir, es bringt dich nur um, wenn du bei mir bleibst. Und ich will dich nicht verlieren, so wie beinahe heute Nacht. Das würde mich umbringen. Ich will nicht verantwortlich dafür sein.“
    Das Schwindelgefühl ist jetzt so stark, dass ich Ryan nur noch verschwommen sehe, wie durch einen Lichtschleier.
    „Aber das bist du doch schon“, sagt Ryan flehend. „Ich bin ein Gezeichneter. Das hab ich in seinen Augen gesehen, als er mich angeschaut hat. Ob mit dir oder ohne dich, ich bin vom Tod gezeichnet. Und ich will lieber bei dir sein, egal wie gefährlich es ist. Ich würde mich immer für dich entscheiden, Mercy, in jedem neuen Leben. Hörst du mich?“
    Ryan könnte ein Feuerwesen sein, so viel Licht verströmt seine Haut. Ich greife nach ihm und berühre sein Gesicht, spüre, wie seine Energie, seine eiserne Selbstbeherrschung ins Wanken gerät. Da ist so viel Leidenschaft in ihm, so viel Leben, und alles für mich.
    „Ich weiß, was du vorhast“, wispere ich und krümme mich, als der Schmerz durch mich hindurchfegt. „Aber es geht nicht. Das ist kein Spiel, Ryan. Entweder du ergreifst die Flucht oder du stirbst. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Bin ich dir wirklich so viel wert?“
    „Ich stehe zu dir“, versichert Ryan heftig, „wenn du zu mir stehst. Das weißt du.“
    Er zieht mich in seine Arme, als wollte er meine Energie an sich binden. Und fast ist es, als ginge der helle Glanz, den meine Haut verströmt, in ihn über oder hüllte ihn ein, sodass er noch heller vor meinen geblendeten Augen erstrahlt. Wir sind wie durch Licht verbunden. Das Licht strahlt von uns auf die Wände ab, die abgewetzten Geländer, die holprigen Steinstufen, als vollzöge sich hier eine unerklärliche chemische Reaktion.
    Ryans Atem streift warm mein Gesicht. „Na, was sagst du jetzt?“, fragt er. „Willst du immer noch behaupten, dass es nicht geht? Kann sein, dass ich eben ein bisschen geflunkert habe. Ich will nicht nur Zeit mit dir, ich bin gierig nach allem, was du mir geben kannst. Ich stehle alles, was ich von dir kriegen kann. Weil ich auf das hier schon ein Leben lang warte, und jetzt ist Schluss damit …“
    Bevor ich seine Absicht erraten und ausweichen kann, hebt Ryan mein Kinn hoch, presst mich an seinen schlanken, muskulösen Körper und küsst mich.
    Ich reiße die Augen auf, dann schließe ich sie wieder.
    Ich bin Liebe, Angst, Verlangen.
    Eine sengende Hitze fährt durch meinen Körper.
    Ryan erlebt dasselbe, auch unter seiner Haut tobt der Sturm.
    Wir sind zwei disparate

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