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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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Energien, die aufeinanderprallen, und das Licht um uns, in uns, wird immer stärker und stärker.
    Ein so mächtiges, explosives Gemisch sind wir beide, dass ein bloßes Sein unmöglich wird. Ich kann mich nicht länger halten und zerspringe in Billionen Partikel wie ein explodierender Stern – in winzige, flirrende Lichtstäubchen, die sofort auseinanderdriften.
    Ryan wird fast weggefegt von der Hitze- und Energiewelle, die ihm in die Haare, in die Kleider fährt, und er greift ins Leere und schreit nur ein Wort: „Mercy!“
    Weil er mich bereits verschwunden glaubt, geflohen, fort, so wie schon viele Male.
    Ich bin der verheißene Sturm.
    Und grenzenlos.
    Nichts wird mich hindern, die Steinmauern zu durchdringen und auf den Schwingen des Windes in die Nacht hinauszuschießen.
    Ich bin substanzlos und unteilbar.
    Bin unverletzlich, allmächtig.
    Es ist wieder, wie es sein soll. Und einmal war.
    Aber noch hält mich etwas hier. Ein Brennen wie von einer Wunde, die sich bemerkbar macht.
    Ich weiß, was es ist. Schmecke es fast: ein unreines menschliches Gefühl, das ich für immer hinter mir lassen müsste. Aber ich kann nicht.
    Es ist Kummer, Ryans Kummer, der in die eisige Luft ausstrahlt.
    Jede Aktion schreit nach einer Reaktion – wir Elohim lehnen das ab. Wir blicken auf alle hinab, die unter uns sind, in der Überzeugung, dass unser Handeln oder Nicht-Handeln keine Folgen hat.
    Die Taten der Sterblichen haben Folgen, die sie unweigerlich einholen, und Ryan hat in seinem Leben schon genug durchgemacht.
    Der Gedanke reißt mich zurück.
    Ich bin ungeschickt und unerfahren und ich sehne mich mit jeder Faser meines Wesens danach, schwereloses Licht zu sein und zu bleiben. Und dennoch sammle ich meine zersprengte Energie wie einen wütenden Bienenschwarm und verdichte mich erneut zu dem perfekten Abbild eines Menschenwesens aus Fleisch und Blut, zu einer festen, kompakten Masse.
    Dann stehe ich wieder vor ihm und blicke in seine Augen, die vor Kummer und Verzweiflung geweitet sind. Ryan ist nahe genug, dass ich ihn berühren kann, aber keiner von uns bewegt sich auf den anderen zu. Jetzt weiß er, was ich schon immer wusste: Berührungen sind gefährlich. Sie fordern das Unerwünschte heraus.
    Und plötzlich erkenne ich in aller Klarheit, dass Liebe und Verlust die beiden Kehrseiten ein- und derselben Medaille sind. Wer das eine fühlt, muss das andere in Kauf nehmen, noch ehe es in Erfüllung geht.
    Ryan streicht sich die Haare aus den Augen. „Ich dachte, du bist … fort.“ Seine Stimme versagt bei diesen Worten. „Und diesmal endgültig. Leicht wird es nie für uns sein, was?“
    Ich schüttle den Kopf. „Du machst mir Angst, Ryan Daley. Noch mehr als die Dämonen draußen, die nach meinem Blut lechzen. Wie kommt es, dass ich will, was du willst? Ich habe mich all die Jahre hier so machtlos gefühlt, so ohnmächtig. Und schuld daran ist die Liebe, die mir jede Selbstkontrolle raubt. Ich hätte nie gedacht, dass ich zu solchen Gefühlen fähig bin. Ich will nicht fühlen.“
    „Das wollte ich damals auch nicht“, stößt Ryan hervor. „Weil es gefährlich war, überhaupt etwas zu fühlen. Wenn ich das alles an mich herangelassen hätte, dann hätte ich vielleicht auch die Hoffnung aufgegeben und geglaubt, dass Lauren tot ist. Aber du bist mir sofort unter die Haut gegangen, als ich dich gesehen habe – ich meine, als ich Carmen gesehen habe. Anfangs war ich genervt, aber dann hat mich die Neugier gepackt, und daraus wurde wieder etwas anderes und so weiter, eine Kettenreaktion der Gefühle, die mich am Ende hierhergebracht hat. Ich hab für dich alles hingeschmissen, Mercy, ich hab mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Und ich bereue nichts, ich würde es jederzeit wieder tun. So ist das mit Gefühlen … Du spürst, dass du lebendig bist, und das gibt allem … ich weiß nicht … mehr Tiefe, Bedeutung. Spiel nur weiter die Coole, Mercy, und tu so, als ob dich das alles nicht kratzt. Aber es nützt dir nichts, ich durchschaue dich. Unter deiner glänzenden Rüstung bist du im Grunde genommen auch nicht anders als ich. Ich will ja nicht viel, Mercy, nur ein paar Brosamen, mehr nicht. Das ist doch nicht zu viel verlangt?“
    Ryan tritt vor und streckt wieder die Hand nach mir aus, aber diesmal reagiere ich blitzschnell und schlage ein Kraftfeld zwischen uns auf – ein undurchdringliches Energienetz –, wie K’el es bei mir gemacht hat. Ryans ausgestreckte Hand prallt daran ab. Ein

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