Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
Staub und
Stolz abklopfen konnte. Er versuchte, nicht zusammenzuzucken, doch seine Knie
brannten heftig an den Stellen, wo er sich die Haut aufgeschürft hatte.
Zweifelsohne bildeten sich bereits blaue Flecken. Er spürte, wie ihm warmes,
klebriges Blut die Schienbeine hinunterlief.
»Ich hab dich vom Gartentor aus beobachtet.
Hatte den Eindruck, du wolltest einen Kopfsprung auf die Steinplatten machen.«
»Sehr komisch.«
»Fand ich auch.«
Bentz war nicht in der Stimmung, sich von seinem
neunmalklugen Partner auf den Arm nehmen zu lassen. Von seinem neunmalklugen jüngeren Partner. Montoya war
nicht nur jünger und durchtrainierter als Bentz, mit seinen schwarzen, in der
Nachmittagssonne glänzenden Haaren und der Spiegelbrille vor den Augen, die so
durchdringend waren wie eh und je, scheute er sich auch nicht, seinen Partner
daran zu erinnern.
Montoya ging nicht, er schritt mit
raubtierhafter Eleganz. Sein Diamantstecker im Ohrläppchen funkelte. Zumindest
trug er heute nicht seine unverkennbare schwarze Lederjacke, sondern bloß Jeans
und ein weißes T-Shirt. Er sah so cool aus, dass Bentz am liebsten davongelaufen
wäre.
Und er ging ihm höllisch auf die Nerven. »Ist
Olivia bei der Arbeit?«
Bentz nickte. »Sollte in ein paar Stunden zurück
sein.« Seine Frau arbeitete nach wie vor ein paar Tage die Woche im Third Eye,
einem New-Age-Geschenkeladen in der Nähe des Jackson Square, der den Hurrikan
Katrina überstanden hatte. Vor einiger Zeit hatte sie ihren Abschluss in Psychologie
gemacht und überlegte, eine eigene Praxis zu eröffnen, aber sie hatte noch
nicht den Absprung zur Vollzeit geschafft. Bentz vermutete, dass sie das
geschäftige Treiben im French Quarter vermisste.
Montoya entdeckte Bentz' Handy neben einem
riesigen Keramiktopf mit wallenden rosa und weißen Petunien.
»Suchst du das hier?« Er klopfte den Staub von
dem Mobiltelefon und reichte es seinem Partner. »Danke«, brummte Bentz und
steckte es in die Tasche. »Schlechte Nachrichten?«, fragte Montoya, plötzlich
sachlich.
»Jaskiel ist der Meinung, ich wäre noch nicht
fit genug, um wieder zu arbeiten.«
»Das bist du auch nicht.«
Bentz verkniff sich eine scharfe Antwort. Eine
Libelle schwirrte vorbei. Angesichts seines gegenwärtigen Zustandes war
Widerspruch nicht angebracht. »Gibt es einen Grund dafür, dass du dich hier
raus verirrt hast, oder wolltest du mir bloß den Tag verderben?«
»Etwas von beidem«, erwiderte Montoya. Seine
Zähne blitzten weiß über dem schwarzen Kinnbart. »Ich bin wieder im Dienst.
Zaroster ist mein -« er malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft -
»vorübergehender Partner.«
Lynn Zaroster war eine junge Kriminalbeamtin, gerade
mal zwei Jahre beim Department und noch keine sechsundzwanzig. Zaroster war
nicht nur hübsch, klug und sportlich, sondern auch voller Enthusiasmus. Sie
war in etwa so idealistisch, wie Bentz abgebrüht war. »Die Zeiten ändern sich.«
»Ja.« Montoyas Lächeln verblasste. »Manchmal
fühle ich mich wie ein gottverdammter Babysitter.«
»Du hast Angst, dass das zum Dauerzustand wird.«
Weil Bentz aus dem Department gedrängt wurde.
»Nicht, wenn es nach mir ginge, aber ich dachte,
ich sag's dir lieber selbst. Besser, als wenn du's von jemand anderem hörst.«
Bentz nickte und wischte sich mit dem Hemdsärmel
den Schweiß von der Stirn. Durch das offene Fenster drang das Krächzen von
Olivias Papagei zu ihnen heraus, den sie - genau wie den Hund und dieses kleine
Cottage - von ihrer Großmutter Gin geerbt hatte.
»Jaskiel hat angedeutet, ich solle mich zur Ruhe
setzen.« Bei dem Gedanken daran verzog Bentz die Lippen. »Das genießen, was mir
vom Leben noch bleibt.« Montoya schnaubte. »Du bist noch keine fünfzig. Da
bleibt noch ganz schön viel. Dreißig, vielleicht vierzig Jahre angeln, Fußball
gucken und auf dem Hintern sitzen.«
»Das scheint keine Rolle zu spielen.«
Montoya griff nach Bentz' Krücke und sagte:
»Vielleicht könntest du in Ruhestand gehen, Pension kassieren und
Privatermittler werden.«
»Ja ... vielleicht. Und du kannst weiterhin
babysitten.« Bentz ignorierte die Krücke, die sein Partner ihm hinhielt, und
machte sich auf den Weg ins Haus, der kleine Hund voran. »Komm schon, ich
spendier dir ein Bier.«
»Bist du rückfällig geworden?« Montoya, die
Krücke in der Hand, folgte ihm auf dem Absatz.
»Bislang nicht.« Bentz hielt ihm die Tür auf.
»Aber der Tag ist ja noch nicht vorbei.«
2
Bentz war dabei,
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