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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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anderen Wald ein – in Gwynedd, dem Land, das manche Wales nannten. Von einem Feind verfolgt war ich auf einen Baum geflohen:
     eine hohe Tanne, ähnlich denen, die jetzt über uns ragten. Kurz darauf war ich in einem Sturm gefangen. Der Wind frischte
     auf und ich klammerte mich mit aller Kraft an den Baum. Als derSturm schließlich mit voller Kraft blies, ritt ich all das Schwanken und Wirbeln, Schaukeln und Biegen aus, von jenen Zweigen
     gestützt – nein, umarmt. Und als sich der Sturm schließlich legte und mich durchnässt in den Ästen dieses regengebadeten Baums
     zurückließ, fühlte ich mich erfrischt, belebt, wie neu geboren.
    Hallia tippte mir auf den Arm. Als ich mich zu ihr wandte, fuhr eine andere, stärkere Brise durch die Zweige über uns. Hallia
     wollte etwas sagen, aber ich hielt sie mit einer Handbewegung zurück. Denn in den knarrenden Bäumen hörte ich tiefe, hallende
     Stimmen. Doch . . . diese Stimmen schienen nicht zu einem Wald zu gehören, dessen Äste sich so majestätisch zum Himmel hoben.
     Sie waren verzweifelt, von einem langsam sich steigernden Schmerz erfüllt.
    Ich horchte gebannt. Die Bäume schrien mit flehend erhobenen Armen. Ich verstand nicht alles, was sie sagten, denn sie redeten
     alle auf einmal, manche in Sprachen, die mir noch fremd waren. Doch es gab einige, deren Worte ich nicht missdeuten konnte.
     Von einer stattlichen Zeder kam:
Wir sterben, sterben.
Von einer Linde, deren herzförmige Blätter langsam zu Boden wirbelten:
Es frisst mich auf. Frisst meine Wurzeln, ausgerechnet die Wurzeln.
Und eine mächtige Tanne klagte:
Mein Kind! Nimm mir nicht mein Kind!
    Als der Wind und die Stimmen sich legten, sagte ich zu Hallia: »Dieser Wald ist irgendwie in Gefahr – in großer Gefahr.«
    »Das spüre ich auch.«
    »Es kommt mir nicht natürlich vor.«
    »Nein, ganz und gar nicht. Aber wenn du genauer hinschaust,gibt es überall Anzeichen. Wie diese Ranken mit ihrer tödlichen Umklammerung an den Hemlockstannen.«
    »Und hier, sieh dir das an.« Ich schabte ein bisschen graues, strähniges Moos von der Rinde einer nahen Tanne. »Faulende Fasern.
     Ich habe sie schon zuvor an Bäumen gesehen, aber nur nach einer Überschwemmung. Nie in einem gesunden Wald.«
    Sie nickte ernst. »Ich wollte, wir könnten irgendwie helfen. Aber wie? Außerdem haben wir unsere eigenen Sorgen. Wie finden
     wir den Weg zurück ins Sommerland? Und zu Gwynnia, dem armen Ding? Und was ist mit dem Ballymag? Wer weiß, wo er jetzt sein
     könnte?«
    Zähneknirschend bückte ich mich nach meinem Stock. »Es tut mir Leid. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich beim Springen so
     irren könnte.« Ich drückte den knorrigen Griff meines Stocks und klagte: »Ich habe die allererste Lektion vergessen, die Dagda
die Seele der Magie
nannte: Demut.«
    Wütend schob ich den Stock unter meinen Gürtel. »Ich brauche noch hundert Jahre Übung, bevor ich so etwas wieder versuche!
     Ich hätte uns ja in ein anderes Land, sogar in eine andere Welt schicken können.«
    Hallia schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Meine Füße, meine Nase, alle meine Knochen sagen mir, dass wir immer noch irgendwo
     in Fincayra sind.« Sie musterte die schattigen Baumstämme um uns herum. »Dieser Wald erinnert mich sehr an ein altes Gehölz,
     das ich vor Jahren aufsuchte, als ich noch ein Kitzkind war. Die Mischung der Bäume, wie sie stehen – alles kommt mir so vertraut
     vor. Aber jener Ort war viel lebendiger! Welche Krankheitkönnte einen ganzen Wald wie diesen befallen haben?«
    »Oooh«, stöhnte eine gequälte Stimme hinter den knorrigen Wurzeln einer Tanne. »Schrecksames Todesweh.«
    Wir liefen hin. Der Ballymag regte sich zwischen den Wurzeln, seine runden Augen waren kummervoller denn je. Rindensplitter
     und Nadelklumpen hingen von seinen Klauen, sein gepolsterter Bauch zitterte bei der geringsten Bewegung und sein Schnurrbart
     hing verdrießlich herab. Doch mit meinem zweiten Gesicht, schärfer als die Augen einer Eule im dunklen Gehölz, sah ich keine
     neuen Zeichen einer Verletzung.
    Ich beugte mich zu ihm und versuchte einen harzverklebten Zweig aus einem seiner Schwänze zu ziehen. Er wich zurück und duckte
     sich. »Du hast jetzt keinen Grund, dich zu fürchten«, redete ich ihm zu. »Der Drache ist nicht hier.«
    »Aber das Menschmonster!« Er hob die Nase und schnüffelte, während seine Augen noch größer wurden. »Und schlimmerviel, ehrlichwahr
     schlimmerviel, das ist ein Grausigplatz, an dem ich

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