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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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nicht gemeint!« Als ich ihr enttäuschtes Gesicht sah, wurde mir klar, dass
     ich wieder in ein Fettnäpfchen getreten war. »Ich meine . . . als ich das sagte, habe ich nicht gemeint – also, nicht das,
     was ich sagen wollte.«
    Sie schüttelte nur den Kopf.
    Wieder streckte ich die Hand nach ihr aus. »Bitte, Hallia. Beurteile mich nicht nach meinen Worten.«
    »Uff!«, machte sie. »Wie soll ich dich dann beurteilen?«
    »Nach etwas anderem.«
    »Zum Beispiel?«
    Plötzlich hatte ich einen Einfall. Ich griff nach ihrer Hand und zog sie übers Gras. Zusammen liefen wir, unsere Schritte
     hämmerten im Gleichklang. Als wir uns dem Bachufer näherten, senkten sich unsere Rücken, die Hälse dehnten sich, die Arme
     streckten sich bis zum Boden. Das leuchtend grüne Schilf am Wasserrand, vom Tau beglänzt, neigte sich vor uns. Mit einer einzigen
     Bewegung, scheinbar wie ein Körper, sprangen wir hoch und flogen so ruhig durch die Luft, wie der Bach unter uns floss.
    Als wir am gegenüberliegenden Ufer landeten, hatten wir uns in Hirsche verwandelt. Ich schwang herum, hob mich auf die Hinterläufe
     und holte tief Luft, wobei ich die üppigen Düfte der Wiese einsog – und die ungeheure Freiheit eines Hirschs. Hallias Vorderlauf
     streifte den meinen; ich antwortete, indem ich mit einer Geweihsprosseüber ihren anmutigen Hals strich. Im nächsten Moment sprangen wir miteinander durchs Gras, tänzelten mit erhobenen Hufen,
     horchten auf das flüsternde Schilf und das vielstimmige heimliche Gemurmel der Wiese. Eine Zeit lang, die nicht in Minuten,
     sondern in Magie gemessen wurde, tollten wir herum.
    Als wir schließlich damit aufhörten, glänzte unser braunes Fell vor Schweiß. Wir trotteten zum Bach, grasten eine Weile in
     den Schösslingen am Ufer und traten dann sacht in die seichten Stellen. Während wir stromaufwärts gingen, hielten wir den
     Rücken gerader, den Kopf höher. Bald wateten wir nicht mehr mit den Hufen, sondern mit den Füßen – die von Hallia waren nackt,
     meine steckten in Stiefeln.
    Schweigend stiegen wir das lehmige Ufer hinauf und gingen durch die Binsen. Als wir wieder am Stein waren, dem Schauplatz
     meiner erfolglosen Schattenarbeit, wandte Hallia sich mir mit leuchtenden Rehaugen zu. »Ich muss dir etwas sagen, junger Falke.
     Etwas Wichtiges.«
    Ich schaute sie an, mein Herz hämmerte wie ein großer Huf in meiner Brust.
    Sie wollte reden, dann hielt sie inne. »Es ist – oh, es ist so schwer in Worte zu fassen.«
    »Das verstehe ich, glaub mir.« Sanft strich ich mit dem Finger über ihren Arm. »Vielleicht später.«
    Zögernd versuchte sie es erneut. »Nein, jetzt. Ich habe das schon lange sagen wollen. Und das Gefühl ist mit jedem Tag, den
     wir im Sommerland verbrachten, stärker geworden.«
    »Ja?« Ich versuchte zu schlucken. »Was ist es?«
    Sie kam ein bisschen näher. »Ich will, dass du . . . etwas weißt, junger Falke.«
    »Was?«
    »Dass ich . . . nein, dass du . . .«
    Plötzlich traf mich etwas Schweres und warf mich um. Ich rollte übers Gras und kam erst am Bachufer zum Halten. Meine Tunika
     hatte sich irgendwie um Kopf und Schultern gewickelt, und nachdem ich mich befreit hatte, sprang ich auf die Füße, dass der
     Schlamm aufspritzte. Zornig griff ich nach meinem Schwert und drehte mich zu dem Angreifer um.
    Doch statt mich auf ihn zu stürzen stöhnte ich. »Nicht du. Nicht jetzt!«
    Ein junger Drache mit leuchtenden purpur- und scharlachroten Schuppen saß neben uns. Er faltete die ledrigen Flügel, die noch
     vom Flug zitterten, auf dem Rücken. Der riesige schlacksige Körper verdeckte den Stein und einen guten Teil der Wiese, kein
     Wunder, dass er mich beim Landen umgeworfen hatte. Hallias rasche Reaktion hatte ihr den Zusammenprall erspart.
    Der Drache holte tief und kräftig Luft. Sein Kopf, fast so groß wie mein ganzer Körper, hing beschämt von den großen Schultern.
     Selbst die Flügel waren traurig heruntergesunken, genau wie eins der blauen bannerähnlichen Ohren. Das andere Ohr stand wie
     immer von der Kopfseite ab – und glich weniger einem Ohr als einem deplatzierten Horn.
    Hallia sah mein wütendes Gesicht und setzte sich schützend neben den Drachen. Sie legte die Hand auf das abstehende Ohr. »Es
     tut Gwynnia Leid, siehst du das nicht? Sie hat es nicht böse gemeint.«
    Das Drachenweibchen zog die Nase kraus und stieß ein tiefes kehliges Wimmern aus.
    Hallia schaute in die orangen dreieckigen Augen. »Sie hat gerade erst das

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