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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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zu einer Spirale aufgerollt.
    Dann sah ich den gezackten Schnitt, von Schlamm verklebt, der über die rechte Flanke des Tiers lief. Als es miterbärmlichem Stöhnen ans Ufer plumpste, kniete ich mich daneben. Ich bespritzte es mit Bachwasser und versuchte schnell die
     Wunde zu reinigen. Zuerst schien das arme Geschöpf so in sein eigenes Leid vertieft, dass es mich gar nicht bemerkte. Doch
     nach einem Augenblick schauderte es plötzlich heftig.
    »Oh, schrecksamer Todesschmerz! Entsetzbares Grauenweh!«, bellte es. »Mein Schlussende, so bald, so bald . . . Und ich so
     kleinjung, fast noch ein Säuglingsbaby.«
    »Keine Angst«, sagte ich beruhigend und hoffte, dass meine Ausdrucksweise ihm nicht so fremdartig vorkam wie mir die seine.
     »Bestimmt tut der Schnitt weh, aber er ist nicht sehr tief.« Ich holte aus meinem Beutel eine Handvoll Heilkräuter. »Diese
     Kräuter . . .«
    »Sollen natürlich mich armkleines Ding mordtöten! So ein fürchterbares, wehschmerzliches Schlussende.« Es zitterte am ganzen
     Körper, besonders an den dicken Fettrollen unter dem Kinn. »Wo ich sosehrviel gelittfürchtet habe – nur um von einem grausamlichen
     Menschmonster gekochtopft zu werden.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Du verstehst das nicht. Versuch dich zu entspannen.« Ich träufelte Wasser auf die Kräuter und formte
     sie zu einem Breiumschlag. »Das wird dir helfen schneller gesund zu werden, das ist alles.«
    Das Geschöpf kreischte und versuchte sich mir zu entwinden. »Menschmonster! Du willst mich pfeilblitzschnell dickfetten. Oh
     Schmerzweh! Mein Todesaus so baldnah, mein . . .«
    »Nein. Beruhige dich, bitte.«
    »Dann willst du mich einkäfigen. Mich ausstellzeigen als dein sondersames Ungeheuerbiest! Damit andere Menschmonsterauf meinen Einsperrkäfig steinschmeißen können oder mich durch Gitterstabstangen kneifplagen. Schreckfürchterbares Schicksalslos,
     grausamliches Ende . . .«
    »Nein!« Ich versuchte mein Bestes, um den Umschlag auf die Wunde zu bringen, aber weil das Tier ständig um sich schlug, war
     es fast unmöglich. Mehrmals rutschte es fast von meinem Schoß ins Wasser – oder in die Ginsterbüsche. »Ich bin hier, um dir
     zu helfen, verstehst du das nicht?«
    »Du? Menschmonster? Wannimmerje hat ein Menschmonster ein winzigbisschen Hilfsbeistand für einen Ballymag geleistet?«
    »Ballymag?«, wiederholte Hallia und beugte sich näher. »Wirklich, das könnte es sein.« Als sie meinen ratlosen Blick sah,
     erklärte sie: »Eines der seltensten Geschöpfe auf der Insel. Ich habe nur Geschichten gehört . . . aber ja, es sieht wirklich
     so aus. Obwohl ich nicht verstehe, was ein Ballymag hier macht. Ich dachte, sie leben nur in den fernsten Mooren.«
    »Im verhexten Moor gewissbestimmt«, heulte der Ballymag. »Planordnet eure Foltermartern! Bevor ihr mich einkäfigt, zerquetschprügelt
     ihr mich und kochbrüht mich mit hundertdutzend faulen Kartoffeln. Oh, schmerzgrässliche Welt, herzbrecherische Qual!«
    Kopfschüttelnd untersuchte ich noch einmal die Wunde. »Ein vertrauensseliges Kerlchen bist du, nicht wahr?«
    »Ja, ganz gewissbestimmt«, heulte das Geschöpf mit Tränen in den runden Augen. »Von Naturgeburt aus. Zu schnellvertrauensselig,
     zu leichtbetölpelig. Immerdauernd bereit in allem Glückhoffnung zu finden, so bin ich. Weshalb es mein fürchterbares Schicksalslos
     ist, mitfaulen Kartoffeln zu schreisterben. Eine schrecksame Wende!«
    Der Ballymag holte langsam und zittrig Luft. »Nun, mach schon und mordtöte mich. Ich werde ehrenbar ab enden.« Zwei volle
     Sekunden lang blieb er still. Dann bellte er plötzlich: »Oh, schreckwehe Elendiglichkeit! Jetzt gekochtopft zu werden! So
     kleinjung. So mutigstark. So . . .«
    »Still!«, befahl ich und setzte mich am Ufer auf. Ich zeigte die Zähne und schaute ihn böse an. »Je lauter du schreist, umso
     schrecklicher wird dein Tod sein.«
    Hallia sah mich überrascht an, aber ich achtete nicht auf sie. »Ja, oh ja«, tönte ich mörderisch. »Die einzige Frage ist,
wie
ich dich töten soll. Aber das ist gewiss: Je mehr du tobst, umso schmerzhafter werde ich es für dich machen.«
    »Ehrlichwahr?«, wimmerte der Ballymag.
    »Ja! Jetzt hör auf zu jammern.«
    »Oh, fürchterbares . . .«
    »Auf der Stelle!«
    Das Tier schwieg. Bis auf das gelegentliche Zittern, das es von der Kehle bis zum Bauch wackeln ließ, lag es mucksmäuschenstill
     in meinem Schoß.
    Sanft legte ich die Hände auf seine Wunde. Ich konzentrierte mich

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