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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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glauben.«
    Ich schnappte nach Luft, während eine runzlige Handmein Bein packte. »Sag nichts weiter«, befahl der Alte streng. »Der Junge weiß nichts von seiner Zukunft, von allem, was vor
     ihm liegt.« Nachdenklich legte er den Kopf zurück. »In dieser Hinsicht, nehme ich an, gleicht er dir ziemlich.«

XXIII
TANZ DES LICHTS
    M it überraschender Behändigkeit stand der Alte auf. Zugleich fuhr er mit dem Arm durch die Luft, die Finger weit gespreizt.
     Der Ärmel seiner Tunika klatschte, das Geräusch hallte in der dunklen Kammer wie ein Donnerschlag. Konnte wirklich ich das
     sein, fragte ich mich, wenn auch in vielen Jahren in der Zukunft?
    Die großartige Geste seines Arms brach jedoch jäh ab: Er hatte sich mit mehreren Fingern in den Wirren seines Barts verfangen.
     Dennoch, diese Tatsache – und die Tatsache, dass er noch mehr Wirrwarr anrichtete, als er versuchte die Hand zurückzuziehen
     – schien ihn nicht zu stören. Sie trübte auch nicht den neuen Glanz auf seinem Gesicht.
    Als er die Hand schließlich befreit hatte, schaute er mich an. »Nun, mein Junge, bevor wir von künftigen Dinge sprechen –
     oder sind es vergangene Dinge?   –, wollen wir etwas zu uns nehmen, ein regelrechtes Festmahl. Einverstanden? Schließlich kommt es nicht oft vor, dass man
     sich selbst beim Essen Gesellschaft leistet.«
    »Ja, oh ja!« Artus klatschte in die Hände. »Außer diesem, nun . . .«, er wies auf mich, »diesem Was-es-auch-gewesen-ist, das
     du mir unter den Bäumen gegeben hast, habe ich seit drei Tagen nichts gegessen.«
    »Was einem Jungen in deinem Alter wie drei Jahrhundertevorkommt.« Der Alte schnippte mit den knochigen Fingern. »Und was einem Mann in meinem Alter wie fast gar nichts vorkommt.
     Oh, aber es ist eine angenehme Methode, die Dinge im richtigen Verhältnis zu sehen, dieses endlose Weiterleben. Unbegrenzt,
     sollte ich sagen. Nur ein Fossil könnte dir mehr erzählen – falls ein Fossil reden könnte.«
    »Fossil?«
    »Aber ja, mein Junge. Du wirst lernen, nicht in Begriffen von Lebensaltern oder Jahrhunderten zu denken, sondern in geologischen
     Zeiteinheiten. Wahrhaftig! So langen Perioden, dass selbst die gegenwärtige, das Känozoikum, vor fünfundsechzig
Millionen
Jahren begann.« Als er meinen ratlosen Gesichtsausdruck sah, fuhr er fort: »Natürlich, ich gebe es zu, kann es manchmal entmutigend
     und verwirrend sein. Besonders wenn du das Rückwärtsleben dazunimmst.«
    Ich hielt die Luft an. »Das was?«
    »Später, mein Junge, später.« Er strich sich über das bärtige Kinn. »Wir müssen einen Bissen essen. Aber zuerst brauchen wir
     etwas Licht, was was?«
    Wieder schwenkte er den Arm, diesmal geriet er seinem Bart nicht ins Gehege. Licht flammte plötzlich auf und füllte die ganze
     Kammer. Rundum glitzerten die verschiedensten Gegenstände (trotz der Staubschichten auf vielen von ihnen) – ob sie nun auf
     dem Steinboden ruhten, auf dem hohen Holzregal, dessen Bretter sich unter ledergebundenen Bänden bogen, an den verschwenderisch
     dekorierten Wänden oder an der Decke selbst. Manches erkannte ich sofort, zum Beispiel die aufgehängten trocknenden Wurzeln,
     Kräuter und Rindensplitter – mit einemZedernzweig zusammengebunden, genau wie meine Mutter es immer machte, um ihre Zutaten frisch zu halten   –, die über unseren Köpfen baumelten. Anderes jedoch blieb mir völlig unklar: eine silberne Trinkschale, deren beide Griffe
     unaufhörlich zu zittern schienen; eine flache Schüssel mit zwei wirbelnden roten Pfeilen; und auf dem Eichentisch neben uns
     ein zerfleddertes Manuskript, dessen Seiten sich geschäftig von selbst umblätterten. Selbst in den vielen aufgereihten Flaschen
     und Töpfen, die auf den ersten Blick unauffällig wirkten, brodelten seltsame und farbenprächtige Chemikalien, die ich unmöglich
     identifizieren konnte.
    Plötzlich waren es nicht mehr die Gegenstände, sondern die Kammer selbst, die meine Aufmerksamkeit erregte. Die Wände, die
     Decke, die Nischen – alles leuchtete in einem mächtigen, pulsierenden Strahlen. Scheu stand ich auf und stolperte dabei fast
     über meinen Stock auf dem Boden. Langsam ging ich zur nächsten Wand. Während ich einen Seidenbehang wegschob, der mit ineinander
     verflochtenen blauen Schlangen und silbergrünen Blättern geschmückt war, raste mein Herz. Denn ich hatte schon erraten, was
     den Behang von hinten beleuchtete.
    Kristalle. Tausende und Abertausende. Völlig verschieden von den

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