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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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weit von dem Brathähnchen.
     Sie verdrehte den Hals zum Zauberer, ihre gelben Augen funkelten ihn wütend an. Sie stieß einen Schrei aus, dann sagte sie
     in ihrer nasalen Stimme ein einziges Wort: »Abscheulich.«
    Ich ließ beinahe meine Schüssel fallen. »Sie kann sprechen?«
    Der Alte zog eine Augenbraue hoch. »Zweifellos.« Er nahm einen weiteren Löffel voll Eis und achtete darauf, dass ihm die Soße
     nicht entging. »Komm schon, Mary, du brauchst es ja nicht zu essen.«
    Die Gans schlug zornig mit dem weißen Flügel und warf dabei einige Lauchstangen zu Boden. »Marigaunce, wenn du so freundlich
     sein willst. Es sind Fremde anwesend.«
    »Marigaunce also. Habe ich dir diesen Namen nicht selbst gegeben? Aber, wie irgendein Barde sagte, was ist ein Name, was was?
     Außerdem sind es nicht so sehr Fremde wie Gäste. Den jungen Artus kennst du schon. Und dieser ansehnliche Jüngling ist in
     Wahrheit mein jüngeres Ich.«
    Die Gans schwang den Kopf zu mir und streckte den Hals zu seiner ganzen Länge.
»
Hmmm«, murmelte sie.»Ansehnlich würde ich nicht gerade sagen.« Sie blinzelte mir zu. »Ich hoffe nur, du bist nicht so töricht wie der alte Gänserich
     dort drüben.«
    Erschrocken überlegte ich, ob ich das Kompliment zurückgeben sollte. Aber der Magier redete zuerst. »Kümmere dich nicht um
     sie, Junge. Als die letzte meiner Eulen, die neunzehnte ihrer Art, schließlich auf die lange Reise zu Dagda ging, schwor ich
     nie wieder einen Vogel zu halten. Sie hatten mehrere Jahrhunderte lang unter meinem Dach (und, wenn ich es recht bedenke,
     auch unter meinem Hut) gelebt, aber genug ist genug. Zu viele Exkremente – in den Haaren, in der Suppe, in . . . nun ja, du
     verstehst schon. Dann kam Mary daher, kaum flügge geworden und noch dazu halb verhungert. Und obwohl ihre Manieren nicht annähernd
     so gut entwickelt waren wie ihr Hals, bekam ich Mitleid mit ihr.«
    »Bah!«, machte die Gans. »Ich war es, die Mitleid mit dir hatte, nicht umgekehrt.«
    Er kratzte sich an der schnabelähnlichen Nase und überlegte. »Ich habe mich gefragt, mein Junge, da du doch den ganzen Weg
     hierher gekommen bist . . .«
    »Ja?«
    »Würdest du gern meine – äh, deine? Nein, nein . . . unsere Kristallhöhle näher betrachten?«
    Ich strahlte ihn an. »Oh ja.«
    »Na schön.« Er schlang seinen Arm um meinen. »Dann machen wir einen kleinen Rundgang, einverstanden?«
    Gemeinsam gingen wir hinüber zu dem hohen Holzregal voller Bücher jeder Dicke und Farbe. Der Geruch nach altem Leder wurde
     stärker, als wir näher kamen (genau wie der Klang der Harfensaiten, weil das laubumwundeneInstrument auf der anderen Seite des Regals hing). Mit der Fingerspitze berührte mein älteres Ich die Einbände verschiedener
     Bücher, als würde er ehrwürdige Kollegen begrüßen.
    Ich wiederum riss verwundert den Mund auf und kam schon angesichts der Anzahl – und Vielfalt – der Bücher auf diesen Borden
     aus dem Staunen nicht heraus. Das Regal war drei oder vier Mal größer als jedes, das ich bisher gesehen hatte, und bedeckte
     einen guten Teil der Wand. Die Borde und die Bände darauf leuchteten im Licht der Kristalle, das durch die Ritzen im Holz
     drang. Als ich näher trat, sah ich, dass die Bücher nicht nach Themen getrennt waren. Im Gegenteil, sie waren ohne offenkundige
     Logik eingeräumt: ein botanischer Text stand neben einer Abhandlung des Aristoteles; ein Bildband über einen Fluss, der Ganges
     hieß, lag zwischen zwei Bänden mit dem Titel
Astrophysik: Die weite Sicht.
Es gab Bücher über Seereisen, seltene Vögel, Wolkenbildung, jemanden namens Leonardo da Vinci, Heilkräuter – und einen Band
     mit dem Titel
Der Wind in den Weiden,
der offenbar das Wetter an Flussläufen behandelte. Viele weitere Bücher trugen Titel in Sprachen, die ich nicht verstand;
     bei den meisten von ihnen hatte ich das Gefühl, dass ich sie auch nicht begreifen würde, wenn ich mit ihren Sprachen vertraut
     wäre.
    Und doch . . . es war klar, dass
er
sie verstand. Ein stille Freude erfüllte mich, als ich sah, wie der weißbärtige Mann neben mir die Borde musterte. Würde ich
     wirklich eines Tages so viel wissen?
    »Wie«, fragte ich, »behältst du die Übersicht über das alles?«
    Er wandte sich mir zu und fuhr sich mit einer Handdurch den Bart. »Die Übersicht über die Bücher hier zu behalten ist einfach, mein Junge. Über all die Bücher – all die Themen
     – auf dem Laufenden zu bleiben, über die ich nichts

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