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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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deine Zukunft«, verkündete er. »Deine Bestimmung liegt hier, bei mir.«
    »Er wird versagen«, knurrte mein Vater. »Genau wie ich.«
    »Nein«, widersprach Rhia, »aber seine Kraft strömt aus dem Land.«
    »Zu mir!«, rief Cairpré. »In deinen Adern ist bereits die Kraft eines Zauberers – alle Kraft Tuathas und mehr. Komm, mein
     Junge, und ich werde dir helfen den Wegen der Magie zu folgen.«
    Ich war verwirrt, wusste nicht, wohin ich mich wenden, welcher Stimme ich glauben sollte. Schatten sammelten sich im Nebel,
     drängten näher, verzerrten die Gesichter um mich herum. Fühler, die mit jeder Sekunde schwerer wurden, wanden sich um meine
     Brust. Meine Knie warenkurz vorm Einknicken, meine Lunge kurz vor dem Kollaps. Jetzt konnte ich mich nicht mehr bewegen, selbst wenn ich es versucht
     hätte.
    Die Stimmen fuhren fort mich zu rufen, sie wetteiferten um meine Aufmerksamkeit. Doch mit jedem meiner mühsamen Atemzüge wurden
     sie schwächer wie das Licht, das einmal durch den Nebel gedrungen war. Ich konnte kaum mehr alle die Bitten und Befehle hören.
     Rasch verloren sie sich, wie meine Stärke, mein Lebenswille.
    In diesem Moment sprach eine andere Stimme, nicht lauter als die übrigen, aber krächzender, ganz in meiner Nähe – fast an
     meinem Ohr. »Genau wie vorhergesagt, kindischer Zauberer, hast du dich selbst ins Verderben gestürzt.«
    Ich erstarrte, während Nimues Stimme leise kicherte. »Jetzt werde ich dich und deine Einmischung für immer los sein. Und weil
     mich das Warten allmählich langweilt, werde ich selbst deinem dürftigen kleinen Leben ein Ende machen.« Plötzlich spürte ich
     kalte Nebelfinger um meinen Hals. »Gleich hier«, sagte sie selbstgefällig. »Gleich jetzt.«
    Bei ihrer kalten Berührung sammelte sich alle Kraft, die noch in mir geblieben war. Ich taumelte zurück, schlug auf die zudringlichen
     Wolken ein und spannte die Beine an, damit sie ihre Fesseln sprengten. In den Nebelschleiern konnte ich kaum etwas sehen –
     aber ich spürte, wie ich fiel, hilflos in die Tiefe stürzte.
    Noch im Fallen überkam mich eine tiefe Erschöpfung. Vielleicht war ich Nimues Griff entronnen, aber jetzt würde ich bestimmt
     sowieso sterben. Mein eingeschnürtes Herz klopfte voll Bedauern: Ich ließ so viel zurück, wasich noch zu tun, zu lernen hatte. Und so viele Gesichter, die ich nie mehr wiedersehen würde.
    Schwach hatte ich den Eindruck, der Nebel würde sich verändern. Bildete ich mir das nur ein? Nein, nein, es stimmte. Der Nebel
     wogte nicht nur, ballte sich zu Formen innerhalb von Formen wie so oft zuvor, nein, er . . . löste sich auf. Ja, das war es.
     Er verschwand ringsum.
    Konnte das Licht sein? Vielleicht, auch wenn es schwach und schwankend schien, es kam von irgendwo oben her. Obwohl ich mich
     nicht rühren konnte, spürte ich, wie sich etwas Festes unter mir bildete – mehr Stein als Nebel. Und wenn schon, es war nicht
     wichtig. Wo immer ich jetzt sein mochte, ich war dem Tod näher als je zuvor. Hilflos tat ich einen letzten, mühsamen Atemzug.

XXII
NAMEN
    A ls ich erwachte, schauten zwei große Augen, dunkler als die Nacht, auf mich herunter. Ich verkrampfte mich, mein Körper wurde
     so starr wie die Steine unter meinem Rücken. Waren das Nimues Augen?
    Nein, nein, es waren nicht ihre – das erkannte ich jetzt sogar im trüben Licht dieser Kammer, in der ich auf dem Boden lag.
     Unter weißen Brauen, dicht wie Brombeergestrüpp, blinzelten die Augen einmal sehr langsam. Als sie sich wieder öffneten, wirkten
     sie tiefer als die tiefsten Schluchten: geheimnisvoll, einschüchternd und doch auch merkwürdig vertraut. Plötzlich wurden
     sie zusammengekniffen und schielten mich an.
    Mit einem Ruck rollte ich mich weg – und stieß gegen jemand anders. Diesmal schauten stahlblaue Augen auf mich herab. Und
     ich erkannte sie sofort. Ector!
    »Du bist es«, murmelte ich. Obwohl ich mich zu schwach zum Aufsetzen fühlte, strömte langsam neue Kraft in mich und füllte
     mich wie Regen die Mulden aufgebogener Blätter. Mit einem Mal erinnerte ich mich an die vielen Gesichter, die mir im Nebel
     begegnet waren. Ich zuckte zusammen und fragte: »Bist du . . . wirklich?«
    Der Junge lächelte, ein dünner Lichtstrahl glänzte auf seinen Locken. »Ich bin wirklich, ja. Genau wie diese Blutschlinge.«
    »Die gerade rechtzeitig herausgezogen wurde, junger Mann. In letzter Minute.«
    Schwach wandte ich mich der Stimme zu – und diesen unergründlichen tiefen

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