Merlins Drache 01 - Basilgarrad
wie es immer näher kam.
Tschomm.
Er schnappte – Luft.
Wie konnte ich sie nur verfehlen?,
schalt er sich, während die Heuschrecke fort und tiefer in den Wald schwirrte.
Zu viel gedacht, zu wenig getan! Reiß dich zusammen, mein Freund, sonst bist du bald die Mahlzeit eines anderen.
Er machte ein ärgerliches Gesicht, dann fügte er hinzu:
Auch wenn es eine sehr kleine Mahlzeit ist.
Er kniff ärgerlich die Augen zusammen, als er sah, wie die Heuschrecke in einem Gehölz von Tannen, Ulmen und Birken mit lavendelfarbenen Umrissen verschwand. »Du meinst, du hast gewonnen, was?«
Er sprang vom Ast in die Luft, schlug mit den ledrigen Flügeln und schoss dem Insekt nach – entschlossen, den Bissen zu bekommen und sein Selbstbewusstsein wiederherzustellen. Er raste durch die belaubten Zweige und durchsuchte jedes Versteck, das er sah.
Da! Er erspähte die Heuschrecke, die in einen dichten dornigen Busch mit Beeren flog.
Ha! Als ob mich ein paar kleine Dornen zurückhalten könnten!
Er schwenkte mitten in der Luft herum und landete auf der anderen Seite des Buschs, als das Insekt herausflog.
Doch bevor sich Basil auf die Heuschrecke stürzen konnte, flog sie eine scharfe Kurve und war außer Reichweite. Mit schwirrenden Flügeln floh das winzige Geschöpf in ein dichtes Büschel hoher, rostfarbener Gräser, deren Halme Körner sprühenden Springbrunnen glichen.
Basil flog in seiner leidenschaftlichen Verfolgungsjagd auf die Gräser zu. Doch gerade bevor er sich hineinstürzte,hielt er inne. Direkt vor den Halmen schwebte er, sah, wie das Insekt floh … und folgte ihm nicht. Dabei zitterten seine schalenförmigen Ohren, denn ein neuer Gedanke war ihm gekommen.
Ich jage den Kerl nicht, weil ich hungrig bin, sondern nur, weil ich größer bin.
Er zuckte zusammen bei der Erkenntnis, dass er sich verhielt wie so viele brutale Rüpel, die ihn seit Jahren verfolgten. Verhielten sich Klauenkondore nicht genauso?
Er flatterte stärker und stieg über die Gräser. Mit glühenden grünen Augen schwor er: »Schluss damit! Ich werde kämpfen, wenn es nötig ist, und fressen, wenn ich hungrig bin. Aber ich werde keinen mehr jagen, weil es Spaß macht. Noch nicht einmal eine lästige kleine Heuschrecke!«
Er nickte den rostfarbenen Gräsern zu und flog davon. Zwischen den Birken und Ulmen fielen ihm zwei große längliche Felsklötze auf, die er nie zuvor bemerkt hatte. Er flog näher, das sonderbare prasselnde Geräusch, das von den Steinen zu kommen schien, machte ihn neugierig. Dann sah er, dass die Seiten der Steine in einem gespenstisch flackernden grünen Licht schimmerten.
Flammen! Zwischen den Steinen tanzte verlockend ein Kreis grüner Flammen. Während Basil das seltsame grüne Feuer betrachtete, spiegelte sich dessen Licht in seinen Augen und vermischte sich mit dem erstaunlich ähnlichen Licht, das da bereits leuchtete.
Der Salamander wusste nicht, warum, doch erfühlte sich von diesem grünen Feuer, das so lustig prasselte, angezogen. Wovon es sich nährte, konnte er nicht sehen, er roch auch keinen Rauch, doch das ängstigte ihn nicht. Im Gegenteil, diese Flammen erschienen ihm merkwürdig verwandt. Und er spürte eine tröstliche Wärme, die tiefer drang als die Hitze eines normalen Feuers. Langsam flog er näher, bezaubert von dieser erstaunlichen Entdeckung.
»Halt, Grünschnabel!«
Basil hielt mitten in der Luft an, er hätte gern gewusst, woher der raue Bariton gekommen war, den er gehört hatte. Irgendwo am Boden bei den Flammen war die Stimme ertönt. Doch da war niemand, noch nicht einmal eine Raupe, nur vereinzelte goldene Gräser, ein Busch mit Moldebeeren (die man seiner Erfahrung nach besser nicht aß) und eine schlanke Blume mit gelben Blütenblättern. Er drehte sich wieder den verlockenden Flammen zu und flog näher – da ertönte wieder die Stimme.
»Ich habe gesagt, Halt, wenn du noch einen weiteren Tag leben willst.«
Die gelbe Blume! Die Blüte hatte sich ihm zugewandt und verfolgte seinen Flug. Basil stieß herab und schaute sie an.
Was er sah, ließ ihn vor Staunen den Schwanz aufrollen. Inmitten der Blütenblätter war ein rundes bernsteinfarbenes Auge!
Das Auge blinzelte. »Was starrst du denn so, Grünschnabel? Hast du noch nie eine Blume gesehen?«
»Keine, hm … wie du.« Vorsichtig flog er ein wenig näher. »Und bis jetzt habe ich auch noch nie eine gehört.«
»Ehrlich?« Die Blume schüttelte den Kopf und ließ alle schlanken Blätter an ihrem Stamm
Weitere Kostenlose Bücher