Merlins Drache 01 - Basilgarrad
gleichzeitig zittern. »Du musst ein sehr behütetes Leben führen.«
Basil schwieg.
»Und jetzt, Grünschnabel, willst du da hineinfliegen?« Die Blume neigte sich dem Feuer zu, dann fuhr sie zurück und streckte sich. »Wenn du das wirklich willst, denk lieber noch mal drüber nach.«
»Warum?«
Das Auge der Blume weitete sich bis zu den Blütenblättern ringsum. »Weißt du das wirklich nicht?« Sie schüttelte entsetzt Stamm und Blätter. »Dann hast du Glück, dass ich mich im vergangenen Frühling hierhergepflanzt habe.«
»Warum?«, wiederholte er und schwebte direkt über dem bernsteinfarbenen Auge. »Was ist denn so schlimm an diesen Flammen?«
»Aber überhaupt nichts«, sagte die Blume gedehnt, »wenn du ihnen nicht zu nahe kommst.« Dann starrte sie direkt in Basils skeptisches Gesicht und brüllte: »Das ist eine Pforte, Grünschnabel! Ein Weg anderswohin – zu den sieben Wurzelreichen, den verborgenen Ländern im Stamm, vielleicht sogar zu den Regionen bei den Sternen.«
Basil runzelte ungläubig seine lange Nase und schaute zu den Flammen hinüber. Während er beobachtete,wie sie so einladend prasselten, schwand seine Skepsis.
Reisen
, dachte er.
Zu anderen Reichen! Das könnte meine Chance sein.
Er war immer noch nicht sicher, ob er das alles glauben konnte. »Das klingt gar nicht übel. Warum hast du gesagt, ich würde keinen weiteren Tag leben?«
Die Blume ließ ihren Ring aus Blütenblättern hängen. »Für einen so kleinen Kerl kannst du Fragen stellen wie ein riesiger Idiot! Dieses Feuer ist Élano, der Lebensstrom des großen Baums – und die stärkste Magie in ganz Avalon.«
Basil drehte den Kopf zu den Flammen und fragte: »Na und? Was hat das mit Leben oder Sterben zu tun?«
Die Blume schwankte hin und her, als hätte ein jäher Sturm sie getroffen, und antwortete: »Weil diese Flammen dich forttragen, indem sie dich magisch zerteilen – sie reißen dich ganz auseinander – und wieder zusammensetzen, wenn du ankommst.« Sie senkte die raue Stimme. »
Falls
du ankommst.«
»Was soll das heißen,
falls
?«
»Sagen wir es so, Grünschnabel. Wenn du dich nicht ganz darauf konzentrierst, wo du ankommen willst, dann entscheidet die Pforte, wohin deine Bestandteile reisen! Erst letzte Woche habe ich einen glücklichen Reisenden, einen Kobold, aus dieser Pforte kommen sehen. Er schien ein bisschen verwirrt zu sein … besonders als ihm klar wurde, dass seine Beine nach Feuerwurzel unterwegs waren. Und gleich nach meiner Ankunft hier kam ein Stapel orangefarbener Schuppenan – aber ohne die Schlange, die sie sonst bedeckt hatten.«
Basil stöhnte und vergaß einen ganzen Flügelschlag über so grauenhaften Nachrichten. Doch er schaute wieder schnell zu dem Feuer hinüber, das so geheimnisvoll zwischen den Steinen brannte, und schon war die Versuchung erneut da.
Ich will es nur genauer betrachten,
sagte er sich.
Das kann nicht schaden.
Ohne dass er sich wirklich dazu entschieden hätte, trieb er näher. Die Flammen schienen ihn heranzuziehen, immer näher, wie ein Feuer eine arme Motte verschluckt. Das grüne Licht brannte in seinen Augen und leuchtete tiefer als jede Spiegelung.
»Warte, Grünschnabel«, rief die Blume hinter ihm. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Oder ist dein Kopf ganz aus Stein?«
Basil hörte das nur halb, so fasziniert war er von den verführerischen Flammen. Die Worte
ganz aus Stein
hallten in seinem Kopf wieder.
Stein … ganz aus Stein …
In diesem Moment schoss ein Bogen grüner Flammen hoch und packte ihn – Schnauze, Schwanz, Flügel, alles. Hektisch schlug er mit den Flügeln, plötzlich wurde ihm die Gefahr bewusst. Die Verführung der Flammen schwand und ließ ihn voller Entsetzen zurück – schwach hörte er noch das Echo der Blumenstimme.
Wie konnte er wissen, dass die Stimme und das Bild, das sie ihm vor Augen stellte, sein Leben rettete? Erwusste es nicht. Ebenso wenig konnte er ahnen, als die Flammen sich enger um ihn schlossen und ihn zur Pforte zogen, dass er bald – mit Körper, Geist und Seele – in die ferne Region Steinwurzel geschickt werden würde.
Trotz seiner Angst erkannte Basil plötzlich, dass die Flammen rundum ihn wärmten, aber nicht verbrannten, dass sie ihn schluckten, aber nicht zerstörten. Er fühlte sich seltsam leicht, als würde er sich auflösen und von sich wegtreiben.
In diesem Augenblick tauchte er ein in die Adern des lebendigen Baums von Avalon. Er verband sich mit seinen hellsten
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