Merlins Drache 01 - Basilgarrad
laut erklärte, sodass alle ihn hören konnten: »… der ein interessantes Geschöpf ist!«
Erstaunte und verwirrte Rufe stiegen in die Luft – und von der großen Elusa kam ein lautes, bestürztes Murren. Nicht nur ein paar Zuschauer (einschließlich Merlin) machten Bemerkungen über den armen Nuic, der den Verstand verloren hatte. Doch dem Kobold schien das nichts auszumachen. Seine Farbe, jetzt goldgelb, zeigte tiefe Befriedigung.
Als er wieder Basil anschaute, sah er nur Erleichterung in den grünen Augen des Salamanders. Doch wenn Nuic irgendwelches Mitgefühl empfand, zeigteer es nicht. Mit seiner rausten Stimme brummte er: »Das soll dich lehren, nicht so aufreizend frech zu sein! Und mir nie mehr Streiche zu spielen.«
Basil unterdrückte ein Grinsen. Anscheinend ruhig, als wäre überhaupt nichts geschehen, hob er die Nase und schnüffelte in der Luft. »Sag, riechst du etwas Fauliges? Gnomgeier vielleicht?«
Nuics Hautfarbe dunkelte sofort zu Rübenrot. »Hör mal, du unverschämter kleiner lahmhirniger Schlingel! Ich würde dich häuten und in ein Taschentuch verwandeln, aber du bist ja nicht gut genug, meine Nase zu putzen!«
Bevor Basil antworten konnte, kam plötzlich ein neues Geräusch über den Gipfel und ließ alle verstummen. Selbst Nuic schien nichts mehr sagen zu wollen. Innerhalb von Sekunden war der Lärm sämtlicher Hochzeitsgäste verklungen. Der Gipfel war ganz still – bis auf das neue Geräusch.
Es schwoll an, wurde immer lauter. Es war ein sanft ansteigendes, mehrstimmiges Summen, das zugleich sternenhoch und meerestief klang. Es vibrierte in Basils Ohren, seinen Knochen und irgendwo unter seinem Körper. Wie die meisten Hochzeitsgäste drehte er sich um und suchte den Ursprung dieser wunderbaren Musik. Und als er ihn entdeckte, konnte er nur noch mit offenem Mund staunen.
Der gewaltige Klangstrom kam von einem einzigen Geschöpf, das nicht größer war als er! Es hatte die Form einer Träne, Augen wie Türkise, eine kupferfarbeneHaut und trug ein durchscheinendes Gewand, das sich im Wind krauste. Es saß auf einem ebenso seltsamen, aber viel größeren Wesen – einer enormen, buckligen Gestalt mit wolligem Fell, einem großen Bein und geschmeidigen Fingern, die einem Handwerker gehört haben könnten. Doch das Auffallendste an diesem kleinen Geschöpf war weder seine farbenprächtige Erscheinung noch sein ungewöhnlicher Gefährte, sondern seine überwältigend schöne Musik.
Als das Summen immer mehr Stimmen vereinte, merkte Basil, dass er nicht nur Klänge hörte. Das war echte Magie, zu einem Lied zusammengefasst. Es waren Hoffnung, Weisheit, Liebe und Träume – alles in Musik verwandelt.
»Ein Museo«, flüsterte Aelonnia und bewegte die schlanken Arme im Rhythmus. Als das vielstimmige Summen ständig vielfältiger wurde, erklärte sie: »Ankündigung der Hochzeit, das ist es! Gekommen ist jetzt die Zeit.«
Die Stimme des Museos schwoll und regte zu so zahlreichen Gedanken und Gefühlen an, dass sie nicht zu benennen waren. Basil wiegte sich ein wenig, fast wurde ihm schwindlig, als hätte er musikalischen Met getrunken. Dann hörte das Lied so abrupt auf, wie es angefangen hatte.
Eine tiefere Stille – erwartungsvoll, unsicher – senkte sich über die Hochzeitsgäste. Selbst Merlin schaute besorgt über den Gipfel. Plötzlich wurde das Schweigen vom durchdringenden Schrei eines Cañonadlers durchbrochen,der auf Shims mächtiger Schulter saß. Der Schrei zerriss die Luft und hallte an den Bergrücken wieder, bis die ganze Welt den Adlerruf zu beantworten schien.
Der Cañonadler mit seinen scharfen Augen hatte als Erster eine kleine, aber majestätische Gruppe erspäht, die den Berg heraufkam. Die vier trafen als letzte Gäste ein. Denn sie waren den weiten Weg aus der Anderswelt der Geister gekommen.
Als Erste traten ein mächtiger Hirsch und eine strahlend weiße Hirschkuh mit unglaublicher Leichtigkeit über den Schnee. Der bronzefarbene Hirsch trug ein großes Geweih mit sieben Enden auf jeder Seite. Die Hirschkuh, deren Fell weißer als der Schnee leuchtete, hatte Augen wie tiefe braune Teiche. Hinter ihnen kamen ein silberhaariger Mann und, auf seiner Schulter, ein kleiner Falke mit wilden goldenen Augen.
Beim Anblick der Näherkommenden regte sich die Menge mit Gemurmel, kleinen Schreien und Flüstern – es erinnerte an Blätter eines Baums, die plötzlich vom Wind herabgeweht wurden. Dann, ganz plötzlich, waren alle wieder still. Das war nicht das
Weitere Kostenlose Bücher