Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
dich nicht vom Fleck, während ich eine Werkstatt suche, kapiert?“, fauchte er.
Wutentbrannt und ohne Schuhwerk warf er sich erneut ins Stadtgetümmel. Wenigstens war durch seinen Zorn die Übelkeit wie weggeflogen. Und zum Glück brauchte er nicht lange nach einer Schuhmacherei zu suchen.
„Seid Ihr der Meister hier?“, blökte Mathäus, als er die Werkstatt betrat.
Hinter einem Tisch hockte ein Mann mittleren Alters, der mit Seelenruhe ein Stück Leder zurechtschnitt. Er machte sich nicht einmal die Mühe aufzuschauen. Erst als er seine Tätigkeit beendet hatte, hob er den Kopf. „Ganz recht, ich bin Meister Wilhelms“, sagte er blinzelnd und rieb sich die Nase, auf der eine behaarte Warze wucherte. „Was kann ich für Euch tun?“
Mathäus wedelte mit den Resten seiner Stiefel. „Ratet mal“, knurrte er.
„Ihr wollt doch nicht allen Ernstes, dass ich das wieder zusammenflicke?“
„Ist das etwa zu viel verlangt?“
Meister Wilhelms legte den Kopf schief. „Ich bin kein Flickschuster, werter Herr“, bemerkte er pikiert, „und ein Zauberer bin ich auch nicht. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr bei mir Schuhwerk
kaufen!“
„Da, wo ich herkomme, erledigt der Schuhmacher auch die fälligen Reparaturen“, brummte Mathäus.
Meister Wilhelms Gesicht verzog sich zu einem schmalen Grinsen. „So kommt Ihr vom Land?“, erkundigte er sich.
Die Antwort war ein Seufzen. Musste ihm das denn wirklich jeder um die Ohren hauen?
„Nun gut, dann verkauft mir gefälligst ein neues Paar Stiefel, auf dass ich nicht weiter barfuß durch die Gegend stapfen muss.“
Der Schuhmacher nickte knapp, bat den Dorfherrn, sich zu setzen und ging auf eine große Regalwand zu. Hier hielt er Ausschau nach passendem Schuhwerk, indem er mit gestrecktem Zeigefinger durch die Reihen stöberte.
Mathäus spürte, dass sein Ärger über den nichtsnutzigen Hund sich allmählich verflüchtigte. Ohnehin hätte er bald neue Stiefel gebraucht. Nur konnte er diesen Auftrag diesmal nicht dem Schuhmacher Albrecht und seinem Sohn erteilen, was ihm leid tat. Albrecht, Philipp, Margarethe - plötzlich war er mit seinen Gedanken wieder ganz in Merode. Die unaufgeräumte Werkstatt des Schuhmachers, der hässliche Bluterguss auf Margarethes hübschem Bein, der irre Blick des Vaters …
„Passt wie angegossen. Gefällt er Euch?“
„Wie?“ Jetzt erst wurde Mathäus bewusst, dass der Schuhmacher ihm einen Stiefel über den rechten Fuß gezogen hatte. „Oh, sitzt ganz gut.“
„Hier, probiert auch den linken.“
„Passt prächtig, Meister.“
„Geht ein paar Schritte damit.“
Mathäus tat es.
„Nun? Sie kosten einen Gulden.“
Mathäus hatte immer noch Schwierigkeiten, in die Gegenwart zurückzukehren. Verwirrt betrachtete er die Warze auf Meister Wilhelms Nase. „Sagt, kennt Ihr einen Schuhmacher namens Albrecht?“
Meister Wilhelms hob den Kopf. „Albrecht? Und wie weiter?“
„Was weiter?“
„Sein Familienname?“
„Tja, den kenne ich nicht.“
„Ich kannte einen Schuhmacher namens Albrecht Weidengass. Aber der lebt schon seit vielen Jahren nicht mehr hier. Eines Tages, nachdem seine Frau im Kindbett gestorben war, machte er sich mit seinen beiden Kindern auf und davon. Wollte nicht länger am Sterbeort seiner Frau leben. Hab ihn nie wieder gesehen. Kennt Ihr ihn?“
„Flüchtig.“
„War ein netter Kerl, wenn auch etwas seltsam. Obwohl er seine Gemahlin abgöttisch geliebt hat, war er einem kleinen Seitensprung nie abgeneigt.“
„Ach?“
„Und sein Sohnemann, wie hieß er doch gleich …?“
„Philipp.“
„Philipp, richtig. Der Knirps hat die ganze Stadt zusammengeheult, als seine Mutter das Zeitliche segnete. Hat gejammert und geflucht, selbst auf die selige Jungfrau Maria. Unglaublich, wie viel Gift so ein Knirps verspeien kann.“
„Sicher hat er sehr an seiner Mutter gehangen.“
„Abgöttisch! Ihr kauft also die Stiefel?“
Kurz darauf verließ der neu gestiefelte Dorfherr von Merode die Werkstatt des Schuhmachers und schüttelte über sich selbst den Kopf. Offenbar war es ihm unmöglich, seine Gedanken vom Ballast der letzten Tage zu befreien. Wie auch immer, es war an der Zeit, nach Merode zurückzukehren, zu viele Fragen bedrückten ihn. Ob Paulus sein Versprechen gehalten und den Gefangenen in Ruhe gelassen hatte? Würde Tobias Hompesch endlich gestehen? Und Jutta – was würde sie zu dem Ring sagen, den er ihr zu schenken gedachte?
Wie in einer Vision erschien plötzlich das Bild des
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