Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
des großen Karl, ausgenommen vielleicht der Name des Wirtshauses.
Albrecht schien wenig erstaunt zu sein über den Besucher, der da vor seiner Tür stand. Sein zerfurchtes Gesicht war eine Maske aus träger Gleichgültigkeit und Lethargie. Weiße Bartstoppeln wucherten auf seinem Kinn.
„Kommt herein“, sagte er mit matter Stimme und führte den Dorfherrn in die Stube, die zugleich auch seine Werkstatt war. In heilloser Unordnung lagen hier Werkzeuge, Lederriemen und Sohlen umher.
„Ich möchte mit Eurer Tochter sprechen“, sagte Mathäus, bevor der Schuhmacher ihm einen Platz anbieten konnte. Nun war doch ein interessiertes Glitzern in Albrechts Augen zu erkennen. Er schlurfte zu einem kleinen Fenster im hinteren Teil der Stube, lehnte sich mühsam hinaus und rief den Namen seiner Tochter.
„Sie kümmert sich um die Gemüsebeete“, erklärte er. Die Männer setzten sich.
Margarethe betrat die Stube. Sie trug ein helles Kleid, das am Oberkörper fest anlag und ihre fraulichen Formen auffallend betonte. Mathäus wusste, dass sich viele Dorfbewohner – vor allem aber die Dorfbewohner
innen
– über ihre städtische Art, sich zu kleiden, mokierten.
„Setz dich, der Dorfherr will mit dir reden“, bemerkte der Vater.
Über Margarethes hübsches Gesicht huschte ein Schatten. Widerwillig ließ sie sich auf einen Hocker sinken. „Mit mir?“
Mathäus nickte und verspürte Unbehagen. „Es tut mir leid, aber bestimmte Umstände lassen es mir sinnvoll erscheinen, dich über Ludwig, den Bauern vom Hahndorn, zu befragen“, erklärte er freundlich.
Margarethe sah ihn fassungslos an. „Über Ludwig? Diesen Dreckskerl?“
Sie hatte einen kleinen Sprachfehler, denn ihre ungewöhnlich dunkle, aber klare Stimme war gekennzeichnet von einem zischenden Lispellaut.
„Ob Ludwig ein Dreckskerl ist, Margarethe, entscheidet eines Tages jemand, der höher steht als unsereins“, seufzte Mathäus.
„Dass er ein Dreckskerl ist, steht heute schon außer Frage“, erwiderte Margarethe trotzig. „Was wollt Ihr wissen?“
Mathäus warf einen Seitenblick auf den Schuhmacher, der das Gespräch mit starrer Miene verfolgte. „Vielleicht wäre es besser, Margarethe, wenn ich alleine mit dir -“
„Nicht nötig“, unterbrach ihn das Mädchen brüsk, „mein Vater weiß, dass Ludwig mich begehrt.“
„Ach?“
„Und da Anna, sein anderes Spielzeug, jetzt tot ist, werde ich künftig wohl noch häufiger die Zielscheibe seiner Gelüste sein.“ Ihre Augen bekamen einen seltsamen Glanz. „Fragt Ihr wegen des Mordes?“
„Nein. Das heißt …“
„Man hat doch diesen fremden Kaufmann festgenommen, oder?“
„Mädchen, ich bin nicht gekommen, um dir Fragen zu beantworten. Den Mord lass ruhig meine Sorge sein.“ Sein Blick richtete sich auf den Vater. „Hat er Euch Geld geliehen?“, fragte er geradeheraus.
Albrecht presste seine Lippen zu einem Strich und nickte stumm.
„Verstehe“, murmelte Mathäus. Er wandte sich wieder an das Mädchen. „Margarethe, du musst Verständnis dafür haben, dass ich dir nun eine äußerst unangenehme Frage stelle. Hast du … ich meine, hat Ludwig -?“
„Ob ich mit ihm geschlafen habe, wollt Ihr wissen.“
„Ja.“
Margarethe verzog verächtlich ihren Mund. „Ja, leider, das habe ich.“
„Häufig?“
„Hab’s nicht nachgezählt. Es ist ja nicht nur das. Wenn Ihr wüsstet, welch abnorme Neigungen er hat.“
„Hast du dich denn nie dagegen gewehrt?“
„Und ob, was glaubt Ihr denn? Aber dann bekam er fürchterliche Wutanfälle. Hat mich nicht nur einmal geschlagen.“ Wie zur Bestätigung ihrer Worte raffte sie ihren Rock ein Stück in die Höhe und präsentierte dem Dorfherrn einen faustgroßen Bluterguss auf ihrem Schenkel. „Er drohte, meinen Vater in den Ruin zu treiben. Was blieb mir also übrig?“
Mathäus nickte betreten. Seine Finger zupften unbeholfen an einem Lappen, der auf dem Tisch des Schuhmachers lag.
„Werden die Leute davon erfahren?“, fragte Margarethe nach einer Weile leise.
„Sei beruhigt, niemand erfährt etwas von mir.“
Albrecht rieb sich mit einer nervösen Bewegung das Kinn. „Leider bin ich kein Held, Herr Mathäus“, brummte er heiser, „sonst hätte ich dem Spuk längst ein Ende gemacht. Wenn Ihr wüsstet, wie viele schlaflose Nächte mir das alles schon bereitet hat.“ Zweifellos schämte er sich zutiefst, dass Margarethe um seinetwillen zur Dirne geworden war.
„Ich werde mit dem Bauern reden.“
„Mit Ludwig? Aber
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