Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Kleinigkeit zu essen, begruben die Männer. Immerhin spülte das Bier den Staub aus ihren Kehlen. Eine stumme Weile saßen sie da und genossen die Verschnaufpause. Auch Chlodwig hatte seine Wasserration schon aufgeschlabbert und sich rülpsend unter den Tisch der Männer zurückgezogen.
„Du, Mätthes?“, sagte Heinrich nach einer Weile.
„Hm?“
„Bist du eifersüchtig auf mich?“
Heinrichs Offenheit war wie ein Hammerschlag. „Ich? Eifersüchtig? Auf dich?“
„Entschuldige“, erwiderte Heinrich, ohne auf die Verwirrung seines Freundes einzugehen, „es tut mir leid, wenn es so aussah, als habe ich Jutta umschwärmt. Glaub mir, nicht
sie
wollte ich beeindrucken, sondern nur mich selbst.“
„Du spinnst“, murmelte Mathäus.
„Sie ist eines der schönsten Mädchen, das ich je gesehen habe“, fuhr Heinrich fort, „und wenn ein Mensch sie verdient,dann bist du das. Es war eine Ehre, mit ihr zu sprechen, ihr in die Augen schauen zu dürfen. Aber du hast keinen Grund, eifersüchtig auf mich zu sein. Glaub’s mir nur.“
Mathäus senkte den Blick, peinlich berührt durch die Tatsache, dass der Freund in die Gründe seiner Seele geblickt, seine Empfindungen durchschaut hatte. Verlegen spielte er mit seinen Fingern. „Ich weiß ja, dass ich ein Idiot bin“, sagte er schließlich.
„Bist du nicht. Du bist mein Freund. Wir alle sind nur Menschen, Mätthes. Nicht wahr, Brüder?“ Er wandte sich an die Benediktiner. „Wir sind alle bloß Menschen!“
Die Mönche nickten einträchtig. „
Sic est
!“, meinte einer von ihnen salbungsvoll.
Unter dem Tisch ließ Chlodwig einen neuerlichen Rülpser hören. Heinrich schielte nach unten. „Schon gut, du Spötter.
Du
bist selbstverständlich kein Mensch. Wir wollten dich nicht beleidigen.“
Mathäus rief den Wirt herbei und zahlte. Vor der Tür empfing sie sogleich wieder unbarmherzige Hitze.
„Hab Eure Pferde versorgt und gestriegelt“, behauptete der Sohn des Wirtes, der draußen auf sie wartete.
„War er brav?“ Mathäus deutete mit dem Kinn auf Julius.
„Brav, Herr! Sehr braves Tier.“
„Hat nicht versucht, dich zu beißen?“
„Nee!“
„Guter Junge.“ Mathäus angelte ein Geldstück hervor und reichte es ihm. Der Knabe bedankte sich überschwänglich, hielt den Männern die Steigbügel, dann blickte er ihnen nach, bis sie in einer Staubwolke verschwunden waren. Nochmals betrachtete er zufrieden die Münze in seiner Hand. Die andere Hand aber wanderte zu seinem Gesäß, wo sie langsame,kreisende Bewegungen vollzog. „Dämlicher Gaul!“, fluchte er leise vor sich hin.
Die Wucht der Sonnenstrahlen hatte nachgelassen, als die beiden Männer am Horizont erstmals die ummauerte Stadt Karls des Großen erkennen konnten. Sie zügelten ihre Pferde.
„Aquis granum!“
, verkündete Mathäus feierlich. Er war schon früher in Aachen gewesen, aber immer wieder wunderte er sich über die Größe dieser wehrhaften Stadt, gegen die selbst Nideggen wie ein unscheinbares Dorf wirkte. Staunend betrachtete er die Türme und Kirchen in der Ferne, die Brücken über dem Wassergraben, die Mauern und Tore. Die Stadt lag eingebettet zwischen waldigen Hügeln, als habe eine wunderbare Macht sie in Schutz genommen. Davor erstreckten sich Wiesen und Getreidefelder, auf denen reger Betrieb herrschte. Mathäus’ Gedanken wanderten unwillkürlich wieder nach Merode. Die Erntezeit hatte begonnen.
Sie setzten ihren Ritt fort. Hechelnd und erschöpft trabte die Dogge hinter ihnen her. Nach einer knappen halben Stunde hatten sie das Kölntor erreicht. „Endlich!“, pustete Mathäus. Und wunderte sich über die strenge Bewachung des Tores. Die Krönung Karls IV. lag über eine Woche zurück, der König musste die Stadt längst wieder verlassen haben.
„Der Schwarze Tod“, murmelte Heinrich.
„Wie?“
„Sie fürchten, der Schwarze Tod könnte Einzug in die Stadt halten. Deshalb werden alle Einkehrenden gründlich befragt und gemustert.“
Natürlich hatte auch Mathäus schon von dieser todbringenden Krankheit gehört, die ganze Landstriche entvölkern konnte. Aber er wähnte sie in fremden Ländernund weit entfernten Winkeln des Reiches. Wieder einmal wurde ihm bewusst, welch abgeschiedenes Dasein er in Merode führte. Und dass er trotzdem – oder gerade deshalb – glücklich dort war.
An der Vorburg des Tores ließ ein Offizier der Stadtgarde die Männer von ihren Pferden steigen, befragte sie nach dem Woher und Wohin. Mathäus wies sich als
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