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Messertänzerin

Messertänzerin

Titel: Messertänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rauchhaus
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Müll vermischten sich, und Wäscheleinen mit verblichenen Tüchern waren quer durch die Schluchten gespannt. Divya hoffte, dass dies ein gutes Zeichen war und dass sie ihrem Ziel näher kam. Und je öfter sie sich umdrehte und auf Schritte lauschte, desto sicherer war sie, dass sie ihren Verfolger abgehängt hatte.
    Auf einmal öffnete sich die Gasse auf eine große Straße. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah Divya Straßenlaternen, und ganz in der Nähe ertönte Hufschlag. Divya entdeckte einen Reiter, gefolgt von einer Pferdesänfte, die auf den Rücken zweier bedächtiger Schimmel schaukelte. Die Sänfte hatte dunkelrote Vorhänge, genau wie die Paläste rechts und links. Hier lebten also die Kaufleute der Stadt, so dicht neben den Armen? Das Kastensystem musste komplizierter sein, als sie angenommen hatte. Es wurde Zeit, dass sie wieder auf die Dächer zurückkehrte. Besonders auf den Straßen der höheren Kasten wollte sie ungern umherlaufen die Gefahr, dass die Stadtwache in diesem Viertel ihre Runden zog, war viel zu groß.
    Auf dem Dach eines Palastes atmete sie tief durch und genoss den leichten Wind auf ihren Wangen, der sich nach Freiheit anfühlte. Er kam, wie vorhin schon, von vorn, also musste die grobe Richtung noch stimmen. Und dann bemerkte sie sie: Eine nackte, tiefgraue Mauer, so hoch wie zwei Männer, zog sich quer durch eine Straßenschlucht. Beleuchtet wurde sie von winzigen Lampen, die in unregelmäßigen Abständen auf ihr zu tanzen schienen.
    Eilig sprang sie auf das nächste Dach, geriet ins Straucheln, rannte weiter und blickte schließlich auf jene massive Mauer, von der sie bisher nur gehört hatte. Dahinter lag ein Areal, das Platz für zwei Paläste geboten hätte, stattdessen standen etwa zwanzig einfache Holzhütten auf dem Sandplatz. In der Mitte loderte ein großes Feuer, und die vielen Gestalten, die davor saßen, warfen Schatten an die Wände der Hütten. Genau aus dieser Richtung erklang Musik. Die Instrumente ähnelten in keiner Weise den sonst üblichen Elleijas, und auch die Melodie klang sehr fremd, sehr exotisch, sehr betörend. Als Divya versuchte Genaueres zu erkennen, trat eine Frau vor und begann zu tanzen. Gefährlich nah an den Flammen bewegte sie nicht nur Arme und Beine, sondern ihren ganzen Körper, wobei sie ihre Hüften zu dem hypnotischen Rhythmus erst langsam schwingen ließ, dann immer schneller, als die Melodie in Galopp verfiel. Divya musste zugeben, dass dieser provokante Tanz sie vom reinen Zusehen atemlos machte und dass sie die Frau um ihre Leichtigkeit und um ihr Selbstbewusstsein beneidete.
    Als sie sich wieder der Mauer und ihrer seltsamen Beleuchtung zuwandte, musste sie sich die Hände vor den Mund halten, um einen Schrei zu unterdrücken. Das waren keine Lampen! So viele Lichter auf einmal hatte sie noch nie gesehen, es mussten Hunderte sein!
    Als sie sich endlich von diesem Anblick losreißen konnte, entdeckte Divya einen Vorsprung am Haus unter ihr, der allerdings zu weit von der Mauer entfernt war um hinüberspringen zu können. Oder doch nicht? Eilig kletterte sie bis dahin hinunter und schätzte die Entfernung ab. Etwa sieben Schritte beim Tanz der Schmetterlinge oder etwa zweiAufwärmsprünge, wenn sie viel Anlauf hatte, und den gab es hier nicht. Also musste sie das Seil nehmen. Ein wenig ängstlich betrachtete sie die Lichter , die sich neugierig der Stelle näherten, auf die Divya springen wollte. Ob sie wirklich gefährlich waren? Ob sie die Tassari verteidigen würden?
    Vorsichtig warf Divya ihr Seil hinüber. Die Lichter wichen geschickt aus, aber der Haken fand keinen Halt auf der glatten Mauer. Der zweite Versuch schlug wieder fehl, ebenso der dritte und der vierte. Schließlich fiel Divya etwas ein. Sie griff in die Tasche, in der sich noch ein Stück Geburtstagskuchen von Jo befand, das sie als Proviant eingepackt hatte. Mit zitternden Fingern zerteilte sie ihn und versuchte ihn genau auf den Mauerrand zu werfen. Dabei sprach sie leise auf die Lichter ein, mit der gleichen Stimme, mit der sie die Hühner beruhigte, wenn sie zum Eierholen geschickt wurde: »Kennt ihr mich nicht mehr? Jahrelang habe ich euch Zuckerwasser hingestellt, wir haben uns doch immer sehr gut verstanden.«
    Die Lichter schienen innezuhalten, dann näherten sie sich vorsichtig den Kuchenkrümeln und huschten darüber hinweg. Wenige Herzschläge später waren alle Krümel verschwunden.
    »Ich will niemandem etwas tun«, murmelte Divya und warf fast schon zu zart

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