Messi
seiner Realitätsferne in die Geschichte eingegangen ist: „Das Haus ist aufgeräumt. Frohe Ostern.“ Doch ohne Befehlsgewalt über die Streitkräfte ist der Präsident zu Verhandlungen mit den carapintadas gezwungen. Schließlich garantiert er ihnen ein Ende der Prozesse gegen das Militär. Das Gesetz der Obediencia Debida, das Befehlsnotstandsgesetz, verordnet Straffreiheit für Terrorhandlungen, die von Offizieren und ihren Untergegebenen begangen worden waren. Dies wird damit begründet, dass sie ja lediglich den Befehlen höherer Stellen Gehorsam geleistet hätten. Das Gesetz tritt am 23. Juni 1987 in Kraft. Am gleichen Tag kommt Celia auf die Entbindungsstation des Garibaldi-Krankenhauses. Die beiden Söhne – der siebenjährige Rodrigo und der fünfjährige Matías – bleiben daheim bei der Großmutter, während Jorge Celia in die Klinik begleitet. Eigentlich hätte er nach zwei Jungen gerne ein Mädchen gehabt, doch er soll einen weiteren Sohn bekommen. Die Schwangerschaft war ohne besondere Vorkommnisse verlaufen, doch in den letzten Stunden kommt es zu Komplikationen. Gynäkologe Norberto Odetto diagnostiziert fetalen Stress und beschließt, zur Vermeidung langfristiger Schäden für das Baby die Geburt einzuleiten. Bis heute ist Jorge die Angst präsent, als der Doktor ihm mitteilte, die Geburtszange einsetzen zu müsse. Jorge bittet ihn, alles Erdenkliche zu tun, um dies zu vermeiden. Zu sehr haben ihm die Horrorgeschichten über Deformationen und Schäden, die diese an Neugeborenen anrichten kann, zugesetzt. Am Ende ist der Einsatz der Geburtszange dann doch nicht erforderlich. Um kurz vor sechs Uhr morgens wird Lionel Andrés Messi geboren. Er wiegt drei Kilogramm und ist 47 Zentimeter groß, rot wie eine Tomate und hat ein vollständig eingefaltetes Ohr – kleinere Unregelmäßigkeiten, die aber wie bei so vielen Neugeborenen bereits im Laufe der ersten Stunden verschwinden. Nach dem Schock folgt die Freude: Der Neuankömmling ist rosig und gesund.
Außerhalb der Krankenhausmauern ist die Lage deutlich weniger entspannt. In der Stadt ist eine Bombe explodiert, eine weitere in Villa Constitución, wo Jorge arbeitet. In ganz Argentinien gehen schließlich als Reaktion auf das Befehlsnotstandsgesetz fünfzehn Sprengsätze in die Luft. Es gibt zwar nur Sachschäden, die Bomben zeigen aber, wie gespalten das Land ist, wie überfordert mit der Macht der Armee. Zudem steckt es mitten in einer schweren Wirtschaftskrise: Der Minister für den Binnenhandel hat gerade Preissteigerungen für die Grundversorgung angekündigt. Milch und Eier sollen sich um neun Prozent verteuern, Zucker und Getreide um zwölf Prozent, Strom um zehn und Gas um acht Prozent – schwer zu verkraftende Erhöhungen für Arbeiterfamilien wie die Messi-Cuccittinis, auch wenn sie sich auf zwei Einkommen und einen Immobilienbesitz stützen können. Mit Hilfe seines Vaters Eusebio hat Jorge ihr Haus über viele Wochenenden auf einem 300 Quadratmeter großen Familiengrundstück selbst errichtet. Es ist ein zweigeschossiger, im Viertel Las Heras befindlicher Ziegelbau mit einem Hof zum Spielen für die Kinder. Nachdem Mutter und Sohn aus dem italienischen Krankenhaus entlassen worden sind, trifft Lionel am 26. Juni dort ein.
In einem Fotoalbum der Familie ist Lionel mit sechs Monaten zu sehen: Mit Pausbäckchen und einem Lächeln im Gesicht, in kleinen blauen Hosen und einem weißen T-Shirt liegt er auf dem Bett seiner Eltern. Mit zehn Monaten fängt er an, seinen großen Brüdern hinterherzujagen. Und er hat seinen ersten Unfall. Leo läuft plötzlich aus dem Haus – niemand weiß, warum. Vielleicht will er mit den anderen Kindern auf der noch ungeteerten Straße spielen, die nur selten von Autos befahren wird. Doch ein vorbeikommender Fahrradfahrer fährt ihn an. Er brüllt wie am Spieß, und alle im Haus rennen auf die Straße. Zunächst scheint es nur der Schrecken gewesen zu sein. Doch er hört die ganze Nacht nicht auf zu jammern, und sein linker Arm ist angeschwollen. Man bringt ihn ins Krankenhaus, wo ein Ellenbogenbruch festgestellt wird. Leo bekommt einen Gipsverband, und der Bruch heilt innerhalb weniger Wochen. Zu seinem ersten Geburtstag kaufen ihm seine Tanten und Onkels ein Fußballtrikot, um ihn schon jetzt zu einem Fan seines zukünftigen Vereins zu machen – den Newell’s Old Boys. Doch noch ist es zu früh dafür. Mit drei Jahren mag Leo lieber Bilderkarten und viel kleinere Kugeln – und zwar Murmeln. Er gewinnt
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