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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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du, was ich meine? Wie bei Shirley. Aber ihre Haut ist makellos. So eine Haut hätte ich auch gerne. Und sie ist sehr hübsch. Der Professor kann die Augen gar nicht von ihr abwenden …«
    Ich schaltete den Fernseher ein und drehte ihn laut. In Deutschland wurden gerade große Blasphemie-Verfahren abgehalten. Man diskutierte dort darüber, die Todesstrafe durch Verbrennen wieder einzuführen.
    Der alte X3 brachte mir mein Steak.

Kapitel 11
    M al wieder einer aus der Stadt«, sagte der Taxifahrer, während wir über die Schlaglöcher auf der Straße zum Landeplatz in der Gebirgsstadt Ioannina holperten. Im gesamten östlichen Mittelmeerraum wurde Illyrien bloß »die Stadt« genannt, genau wie Byzanz in vergangenen Zeiten, als es ein Großreich beherrscht hatte.
    Der Fahrer stellte sich als Manolis vor. Er steckte sich eine dicke Selbstgedrehte in den Mund und zündete sie an. Der Tabak knisterte wie ein Lagerfeuer.
    »Ich hatte schon viele Leute aus der Stadt in meinem Wagen. Manche kommen zum Glotzen, manche sind auf der Flucht, und manche wollen Sachen kaufen, die sie in der Stadt nicht kriegen …«
    Er schaute wissend in den Innenspiegel. »Egal, was sie wollen, ich gebe mir immer alle Mühe, ihnen zu Diensten zu sein.«
    »Ich bin geschäftlich hier«, erklärte ich und nannte ihm den Namen des Hotels am See, in dem ich Quartier beziehen sollte.
    »Ah ja«, entgegnete er, »geschäftlich. Heutzutage kommt ihr immer alle geschäftlich her. Aber vielleicht hast du ein wenig Zeit, dich umzuschauen? Ich kann dich herumführen. Einen ganzen Tag lang, so viele Kilometer, wie du willst: vierhundert Drachmen.«
    Die illyrischen Diplomaten versuchten zu jener Zeit gerade, einen Ring vergleichsweise moderater Klientelstaaten um Illyrien herum zu etablieren, indem sie verschiedenen eher pragmatischen politischen Fraktionen durch Handel und das freigebige Austeilen von Waffen den Rücken stärkten. Einer dieser Klientelstaaten war Epiros, zu jener Zeit das Reich des Erzbischofs Theodosios, mit Ioannina als Hauptstadt. Eine illyrische Regierungsdelegation war hier, um über den Außenhandel zu reden, doch ihr Übersetzer war krank geworden, und nun hatte man mich von Wort für Wort als Vertretung angefordert.
    »Dreihundert Drachmen dann«, sagte Manolis, der mein Schweigen fälschlicherweise als Verhandlungstaktik deutete.
    Abseits der Straße standen Schreine. Wandgemälde zeigten den blutenden Christus. Selbst an Manolis’ Innenspiegel baumelte eine Heilige Jungfrau Maria.
    Alles wirkte verdreckt und heruntergekommen.
    Die Frauen trugen Kopftücher und lange Kleider.
    Tiere liefen auf den Straßen umher.
    Es gab keinen Zweifel: Ich befand mich an dem Ort, den wir »dort draußen« nannten.

    Wir erreichten die Stadt, die an einem See mit einer Insel lag. Dahinter befand sich eine riesige, kahle Gebirgswand.
    Überall um uns herum brodelte das Leben: Alte und Junge, Reiche und Arme riefen, lachten, feilschten, redeten und klagten. Eine Weile drängten wir uns mit dem Auto langsam durch die Menschenmenge. Gesichter spähten durch die Fenster zu uns herein. Münder wurden aufgesperrt und gaben die Sicht auf schlechte Zähne und uralte Zahnfüllungen frei. Dann wurde das Gedränge noch dichter, und schließlich brachte der pure Druck der Masse das Taxi an einer Kreuzung mit einer Hauptstraße zum Stehen.
    »Heute ist ein Heiligen-Feiertag«, erklärte Manolis.
    Wir stiegen aus. Vor uns bewegte sich eine Prozession durch eine schmale Gasse in der Menge, die von schlagstockschwingenden Polizisten und grobschlächtig wirkenden Mönchen frei gemacht wurde. Zwei Priester in aufwendig verzierten Gewändern und mit langen Bärten liefen vor den Weihrauchschwenkern her, und dahinter folgten vier weitere Priester, die eine vergoldete Schatulle hochhielten. Trotz der Polizisten, die sie anschrien und mit ihren Knüppeln auf sie einschlugen, strömten die Menschen aus der Menge heran, um die Schatulle zu berühren. Überall um mich herum bekreuzigten sich die Leute und brummten leise Anrufungen. Durch den Taxifahrer ermutigt, drängelte ich mich weiter nach vorn.
    Die vergoldete Schatulle kam gerade auf meine Höhe, als mir klarwurde, was sie enthielt. Durch das Glasfenster vorne sah der Inhalt aus wie das Gesicht einer verwesenden Leiche. Es war nicht nur der Tag eines Heiligen, der Heilige war auch persönlich anwesend.
    Ich schaute mich auf der Suche nach einer Erklärung zu dem Fahrer um, aber er bekreuzigte sich bloß und

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