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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
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murmelte genau wie die anderen leise vor sich hin.

    Auf unserer Seite des Verhandlungstischs saßen zwei nicht besonders hochrangige Vertreter des Handelsministeriums und auf ihrer drei ungewöhnlich aussehende Priester. In meinen illyrischen Augen wirkten sie ganz und gar fremdartig mit ihrem langen Haar, ihren langen Bärten und ihren seltsamen, wallenden Gewändern. Ich dolmetschte für unsere Seite, wobei ich einen kleinen Laptop-Übersetzer als Krücke verwendete. (Derartige Geräte können übrigens sehr gut selber reden, aber viele Ausländer empfinden es als beleidigend, sich mit Maschinen unterhalten zu müssen.) Der Übersetzer der Griechen war ebenfalls ein Priester, jünger als die anderen und genau genommen nicht mal viel älter als ich, aber ebenso altertümlich in seiner Erscheinung.
    In den Pausen, wenn die Delegationen sich zur Beratung zurückzogen, ließ man mich mit diesem Mann im Verhandlungszimmer zurück. Man servierte uns Kaffee in winzigen Tassen und dazu süßen Kuchen und Wasser. Zuerst sprachen wir in diesen Pausen nicht miteinander. Ich saß einfach da und brütete vor mich hin, wobei ich die meiste Zeit an Lucy dachte. Mittlerweile suchte ich sie zweimal wöchentlich auf und sehnte mich bereits nach meinem nächsten Besuch bei ihr. Ich versuchte mir ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Glieder, ihre Brüste vor Augen zu rufen. Ich verzehrte mich nach ihren Liebkosungen, als wäre sie ein echter Mensch und ich wirklich ihr Geliebter.
    Und dann, beim vierten oder fünften Mal, als man uns allein zurückließ, begann der Grieche unvermittelt zu sprechen.
    »Sie werden in der Hölle schmoren, mein Freund«, knurrte er leise, wobei er sich über den Verhandlungstisch beugte.
    Einen Moment lang bekam ich tatsächlich Angst. Es war, als hätte er direkt in meinen Kopf geschaut.
    »Ich … Wie bitte?«
    »Wenn Sie sich nicht zu Christus bekennen«, sagte der Grieche, »werden Sie in der Hölle schmoren.«
    Genau das hatte man meiner Mutter an jenem trüben Nachmittag am Michigansee vor all den Jahren auch gesagt. Ich lachte nervös auf.
    »Haben Sie darauf nichts zu erwidern?«, wollte er wissen.
    Er hatte einen sehr intensiven Blick, der sich direkt durch die dünne Fassade meines Gesichts zu bohren schien.
    Ich zuckte mit den Schultern und errötete. »Uns Illyriern muss man die Dinge vernünftig beweisen, bevor wir sie als Wahrheit akzeptieren. Wir können nicht an etwas glauben, nur weil man uns sagt, dass wir in der Hölle schmoren werden, wenn wir uns weigern.«
    Er lachte wütend und freudlos. »Tja, wenn Sie einen Beweis wollen, dann schauen Sie sich Ihre Stadt an, in der Sie ohne Götter leben, und vergleichen Sie sie mit unserem heiligen Epiros!«
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Dann brach ich beinahe in Gelächter aus. Wie konnte man unsere leuchtende, wohlhabende, lebendige Stadt mit diesem armseligen, verdummten, verpesteten Dreckloch vergleichen und dabei Letzterem den Vorzug geben?
    »Mein Gott«, sagte mein Übersetzerkollege, »ich habe sogar gehört, dass Sie dort Maschinen haben, die Frauen ähneln und mit denen die Männer Geschlechtsverkehr haben. Sie verschließen sich vor Gott, und jetzt spotten Sie sogar noch der Liebe! Wo, wenn nicht in den tiefsten Tiefen der Hölle, könnten solche Perversionen toleriert werden?«
    Doch da kehrten schon die Delegationen in den Raum zurück.

    Ich weiß noch, dass ich in jener Nacht in meinem Hotelzimmer lange wach lag. Es war eine heiße Nacht, das Zimmer hatte keine Klimaanlage, und mein Fenster stand offen. Gerüche und Geräusche wehten von der Straße herein: gebratenes Fleisch, Rufe, schlecht verstärkte griechische Musik, Kirchenglocken (selbst mitten in der Nacht!).
    Normalerweise hätte ich mich mit dem Gedanken an Lucy getröstet, aber die Abscheu und die Verachtung des Priesters waren mir noch frisch im Gedächtnis und machten es mir unmöglich, auf diese Art Ablenkung zu finden. Tatsächlich konnte ich mir nicht einmal ihr Bild vor Augen rufen, wie ich es sah, wenn wir zusammen waren. Ich konnte immer nur daran denken, wie sie wirklich war – und wie sie war, wenn ich nicht bei ihr war.
    Ich stellte sie mir zusammen mit all den anderen Syntecs vor. Ich malte mir aus, wie sie und die anderen Hochentwickelten Sinnlichen Vergnügungseinheiten zusammen in der Dunkelheit in dem großen roten Zimmer saßen, nachdem das Haus um drei Uhr nachts geschlossen hatte. Ihre leeren, weit aufgerissenen Augen starrten einfach geradeaus

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