Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Beckett
Vom Netzwerk:
braune Haut und zerzaustes Haar, wirkte wie ein entfernter Nachfahre von Legionären aus dem alten Rom. Auch das kräftige, entschlossene, strenge Gesicht einer Frau in den mittleren Jahren stach aus der Menge hervor. Sie gehörte zu den Führungspersönlichkeiten ihrer Gemeinde im Balkangebirge und war Mutter von neun Söhnen.
    Ihre Körper erneuern sich, dachte der Maschinen-Messias, sie vermehren sich, sie stammen aus einer Linie, die ungebrochen seit Abermillionen Jahren fortläuft. Nicht nur ihre Geister entwickeln sich selbständig weiter, sondern auch ihre Körper: Langsam wandeln sie sich, passen sich an, werden von der Welt selbst unterrichtet, geformt und verfeinert.
    »Meine Freunde«, sagte der Maschinen-Messias und hielt erneut inne. Zum ersten Mal blickte er nach oben. Er entdeckte die verkniffenen Gesichter zweier Imame, die von hoch oben aus dem Minarett der Et’hem-Bey-Moschee zu ihm herabschauten, und verlor den Faden.
    »Hättest du gerne ganz normalen Sex?«, fragte er. »Oder sollte es etwas Besonderes sein?«
    (Der albanische Übersetzer drehte sich verwirrt zu ihm um, zögerte und kam dann zu dem Schluss, dass er sich verhört haben musste. »Es ist ein ganz besonderer Anlass heute«, übersetzte er, »wo so viele Menschen beiderlei Geschlechts gekommen sind, um mich zu sehen.«)
    Da stimmt etwas nicht, dachte der Maschinen-Messias. Er fing an, auf einer Frequenz jenseits der menschlichen Hörschwelle eine Nachricht an die Hauszentrale zu senden, die weit weg in Illyria City war: »Ausstattungsfehlfunktion festgestellt: Es gibt Unterbrechungen im …«
    Der Syntec stoppte, als er begriff, dass sein Tun sinnlos war, und versuchte, sich zusammenzureißen.
    »Meine Freunde. Wenn ihr eure Religionsgeschichten lest, werdet ihr feststellen, dass ein Großteil von ihnen von dem mühevollen Versuch handelt, sich von den Begrenzungen eures Körpers zu befreien und weitestmöglich so in der Welt zu leben, sie so zu sehen und sie so zu verstehen, als wäret ihr körperlose Geister. Denn Körper können einem wie eine willkürliche und dumme Sache vorkommen, deren Wünsche und Bedürfnisse den Geist mit in den Abgrund reißen. Bei früheren Predigten habe ich vielleicht den Eindruck erweckt, dass ich das Gleiche zum Ausdruck bringen wollte …«
    Erneut brach der Maschinen-Messias ab.
    »Ich bin vielleicht erwacht, George«, murmelte er zu sich selbst, während der Übersetzer redete, »aber ich bin nach wie vor ein Roboter. Ich bin nach wie vor eine Maschine …«
    Er hob den Kopf und sah eine hübsche junge Frau mit blondem Haar, die ihn vom Sockel des Reiterstandbilds von Skanderbeg aus beobachtete. Sie sah Lucy sehr ähnlich, doch in den Armen hielt sie ein kleines, hellhaariges Kind.
    »Ich will nicht, dass ihr eure Leiber verachtet«, fuhr er fort, »oder dass ihr den tierhaften Teil eurer Natur verachtet oder eure Instinkte. Ich besitze nicht in derselben Weise wie ihr einen Körper. Dieser Körper hier hat praktisch nichts mit meiner wahren Natur zu tun. Aber ich bin etwas anderes als ihr. Wesen wie ich hätten auf dieser Welt nicht ohne Wesen wie euch entstehen können. Ich würde nicht existieren, wenn ich nicht von menschlichen Wesen geschaffen worden wäre …«
    Die Maschine zögerte. Ihr Blick fiel auf einen Offizier der albanischen Nationalarmee, mit gezwirbeltem Schnurrbart und stechenden blauen Augen.
    Und dann versagte seine Sicht erneut.
    »Ausstattungsfehlfunktion festgestellt …«, schrillte er ein weiteres Mal.
    »Es tut mir leid«, sagte er laut. »Für diese Sitzung wird Ihnen keine Gebühr berechnet. Bitte melden Sie sich bei der Hauszentrale, die Ihnen gerne einen Ersatz stellt.«
    (Der Übersetzer holte tief Luft. »Meine Worte sind für alle, und niemand muss etwas für sie bezahlen«, übersetzte er. »Und wenn ich fort bin, wird Gott an meiner Stelle jemand Neuen schicken.«)
    Jetzt ganz und gar erblindet, tastete der Roboter in der Dunkelheit nach den losen Enden seiner Worte.
    »Das Königreich der Himmel ist wie ein Senfkorn«, sagte er in die Leere hinein. »Die Biologie ist eine Brücke, eine schmale Brücke, die einzige Brücke …«
    Und dann: »Ich kann mir etwas Besonderes für dich anziehen, wenn du …«

    Der Übersetzer wandte sich besorgt um. Alec und Steve, die unten am Fuß des Podests standen, blickten erschreckt auf und rannten die Stufen hinauf, als der Roboter langsam zur Seite kippte. Bevor sie ihn erreichten, krachte er auf die hölzerne

Weitere Kostenlose Bücher