Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
Der Frust über die soeben erlittene Kränkung saß einfach zu tief.
Leander war zutiefst enttäuscht. Von Beate hätte er etwas mehr Feingefühl und
Professionalität erwartet.
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Zwischenzeitlich hatten Pfeifer und
Polizeiobermeister Möller bei Ben Hausmann etwas mehr Glück gehabt. Er hatte
wider Erwarten offen mit ihnen über seine Beziehung zu Silke gesprochen. Auf
die Frage hin, ob er von der Vergewaltigung durch den Stiefvater gewusst habe,
antwortete er mit rauer Stimme: „Ja, ich wusste es und ich habe nichts
unternommen, um ihr zu helfen, verstehen Sie? Ich trage eine Mitschuld an ihrem
Tod! Vielleicht wäre sie noch am Leben, wenn ich sie etwas mehr unterstützt
hätte. Stattdessen habe ich sie allein gelassen. Ich habe mich zurückgezogen,
wollte sie nicht mehr anfassen. Ich musste dann dauernd an ihn denken.
Sie verstehen schon.
Ja, es gab sogar Tage, an denen konnte ich sie
nicht einmal ansehen. Wir haben uns zunehmend mehr gestritten, nach der
- Sie wissen schon.“ Ben machte eine Pause. Er schluckte schwer und fuhr dann
fort. Beinahe schien es, als wäre er erleichtert, endlich alles loszuwerden.
„Silke hat sich verändert. Danach. Haare gefärbt, diese riesige Tätowierung,
mehr Drogen und Alkohol. Sie war auch zunehmend ungepflegt. Hat sich die Haare
nicht mehr gewaschen und so’n Zeug. War manchmal richtig eklig. Sie roch nach
Schweiß und Schmutz. Dann fing sie auf einmal an, sich allen möglichen Männern
an den Hals zu werfen. Unter anderem auch Malte. Der nahm das Angebot natürlich
gerne an. Er war von Anfang an in Silke verliebt und hat wohl nur auf eine
Gelegenheit gewartet, sie flach zu legen. Und ich Blödmann dachte, er wäre mein
Freund. Jedenfalls war ich stinksauer und enttäuscht. Dann war Jana da und
wollte mich trösten. Eins führte zum anderen.“ Ben schüttelte verzweifelt den
Kopf. Er schniefte und Beate reichte ihm ein Taschentuch. „Ich glaube, ich war
nicht sehr nett zu Chris. Aus purer Boshaftigkeit habe ich ihm an den Kopf
geworfen, dass seine Freundin in meinem und in Maltes Bett gelandet war. Ich
wollte ihn verletzen, verstehen Sie? Ich wollte nicht der Einzige sein, der
leidet.“
Die beiden Beamten nickten bekümmert. Allzu oft
hatten sie die Auswirkungen einer Vergewaltigung hilflos verfolgen müssen.
Nicht nur bei den Opfern selbst, sondern auch bei deren Lebenspartnern und
Familien. So etwas konnte alles zerstören.
„Sie müssen sich deswegen keine Vorwürfe machen.
Sie konnten doch nicht wissen, was passieren würde. Jeder gestandene Erwachsene
ist mit so einer Situation überfordert und Sie sind noch so jung …“, begann
Pfeifer, doch er wurde sofort wieder unterbrochen.
„Silke ist tot! Verstehen Sie? TOT! Mein bester
Freund hasst mich, ich komme in den Knast wegen der ganzen Drogen. Und Sie
sagen mir, ich müsste mir keine Vorwürfe machen?“ Bens Stimme überschlug sich.
Er war im Begriff, völlig hysterisch zu werden. Seine so mühsam gebaute Mauer der
Selbstbeherrschung zerbarst innerhalb weniger Sekunden in tausend Stücke.
Blass, zitternd und verschwitzt saß er vor ihnen. Ein Häufchen Elend, das nach
seinem Ausbruch lethargisch vor sich hinstarrte.
Jetzt ergriff Polizeiobermeister Möller das Wort. „Ben.
Hör mal. Wir beide kennen uns ja schon ein Weilchen. Auch wenn es nur, sagen
wir mal, beruflich ist. Ich werde dir jetzt mal erklären, wie das hier läuft.
Die Kollegen und ich versuchen, den Mord an deiner Freundin aufzuklären. Wir
sind dabei auf jede Hilfe angewiesen, die wir kriegen können. Also reiß dich
mal ein bisschen zusammen und rede endlich. Dein Freund Christopher hat schon
geplaudert. Die Kollegen sind gerade bei Jana. Und ich bin mir sicher, sie wird
auch auspacken. Jetzt liegt es an dir, wie die Sache hier für dich weitergeht.“
Ben sah auf. „Was hat Chris Ihnen erzählt? Hat er
Ihnen das mit den Drogen in unserem Keller verraten? Ich verkaufe nichts mehr.
Alles Eigenbedarf.“
„Soso. Eigenbedarf, hm?“, mischte sich jetzt
Pfeifer wieder ein. Er war dankbar dafür, dass er Möller mitgenommen hatte. Er
hatte einen, wenn auch sehr fragilen, Zugang zu dem Jungen gefunden.
Ben starrte die beiden eine Weile stumm an. Dann
stand er auf. „Kommen Sie, ich will Ihnen etwas zeigen.“ Er führte Möller und
Pfeifer in den Garten. „Sehen Sie? Daran habe ich die letzen Tage gearbeitet.
Silke hat dafür Modell gestanden. Zuerst habe ich sie gezeichnet und dann,
nachdem ich von ihrem Tod erfuhr, habe ich
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