Metanoia - Du sollst Buße tun (Kommissar Pfeifers zweiter Fall)
und in ihrem Gesicht
würden nahezu narbenlos verheilen. Darüber freute sie sich natürlich sehr, doch
das war momentan ihre geringste Sorge. Die Frage nach dem „Warum“ quälte sie zu
sehr.
Sie waren keine gebürtigen Sasbacher. Aber man
hatte sie das dort niemals spüren lassen. In den ganzen Jahren, in denen sie
und ihr Mann den Reiterhof betrieben hatten, hatten sie nichts als herzliche
Wärme, Freundlichkeit und Wohlwollen von den übrigen Anwohnern erfahren. Und
jetzt das. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass einer
ihrer Nachbarn so etwas tun würde. Oder sollte sie sich so in ihnen getäuscht
haben? Nein. Niemals. Entschlossen schob sie diesen Gedanken beiseite.
Dafür nistete sich langsam, ganz langsam, ein
anderer Gedanke ein. Er bohrte und piekte und ließ ihr keine ruhige Minute
mehr. Sie versuchte, ihn zu verdrängen, aber er kam immer wieder an die
Oberfläche. Dort trieb er ziellos umher und klopfte hartnäckig gegen ihre
Hirnrinde. Damit trat er automatisch in ihr Bewusstsein und sie konnte ihn
nicht länger ignorieren. Die ganze Sache hatte etwas mit Chris zu tun. Und er
wusste es. Sein schlechtes Gewissen und die Angst vor irgendetwas oder
irgendjemandem hielten ihn davon ab, ihr unter die Augen zu treten. Miriam
beschloss, ihren Sohn dazu zu zwingen, ihr die Wahrheit zu sagen. Sobald sie
hier raus kam, würde sie nach Frankfurt fahren und ihn zur Rede stellen. Aber
bis dahin war sie dazu verdammt, hier zu liegen und an die Decke zu starren.
Seufzend läutete sie nach der Krankenschwester. Sie
musste dringend unter die Dusche und dabei würde sie die nächsten Wochen noch
auf die Hilfe der Schwestern angewiesen sein.
4 3
Lustlos schlenderte Jana durch die Innenstadt. Sie
langweilte sich ziemlich, so allein. Chris war in Frankfurt und reagierte nicht
auf ihre Anrufe, Ben sagte ihr am Telefon, dass er gerade auf dem Weg in eine
Klinik sei, Malte war wieder verschwunden und Silke war tot. Übrig geblieben
war nur sie. Jana Knopf. Siebzehn Jahre alt und Schülerin des Acherner
Gymnasiums. Sie hatte keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte.
Denn davon war noch reichlich übrig. Ja, sicher, sie würde weiter zur Schule
gehen und ihr Abitur machen. Aber außer Schule gab es ja auch noch andere Dinge
im Leben, doch sie konnte sich nicht vorstellen, ebendiese ohne ihre Freunde zu
tun. Sie hatten große Pläne gehabt. Im Herbst hatten sie alle zusammen nach
Frankreich fahren wollen. In die Bretagne zum Campen und Surfen. Der Herbst war
die beste Zeit dafür. Dann waren die Wellen hoch genug, dass man auch Spaß
dabei hatte. Zwar brauchte man einen Anzug, weil das Wasser sehr kalt war, aber
das wäre auch in Ordnung gewesen. Völlig in Gedanken vertieft lief sie weiter,
ohne wirklich zu sehen, wohin. Ziellos ließ sie sich treiben. Bis sie plötzlich
nicht weiterkonnte und stehenblieb. Verdutzt sah sie auf das Gebäude vor ihr.
Der „Stadtgartenblick“ war verwaist und wirkte auf einmal grob und hässlich.
Die Fenster waren mit Plastikfolien notdürftig abgedichtet worden, aber die
Schmierereien waren noch immer dort zu lesen. Jemand hatte noch etwas
dazugemalt, ein ihr unbekanntes Zeichen. Daneben stand in blauen Großbuchstaben
das Wort: „Mörder“ zu lesen.
Jana fragte sich gerade, wer sich jetzt wohl um das
Restaurant kümmern würde, da erklang aus ihrer Jackentasche die Melodie von
Selena Gomez´ „Come & Get It“.
„Ja?“, antwortete sie aufgeregt. Diese Melodie
konnte nur eines bedeuten. Malte rief an.
„Jana. Ich bin’s. Können wir uns sehen? Ich muss
dringend mit dir reden.“ Erst glaubte sie, sich verhört zu haben, doch dann
wiederholte er seine Bitte und endlich sickerte die Erkenntnis durch. Malte
wollte sie tatsächlich sehen. Endlich. Ohne weiter nachzufragen, worum es ging,
stimmte sie sofort zu und die beiden verabredeten, sich in einer Stunde im
Illenauer Wald bei den Fledermauskästen zu treffen.
Überglücklich, dass er endlich mit ihr reden würde,
machte sich Jana umgehend auf den Weg. Da sie zu Fuß unterwegs war, würde sie
erfahrungsgemäß eine gute halbe Stunde benötigen, bis sie ihr Ziel erreicht
hätte. Ihr Fahrrad zu holen kam nicht infrage, da sie nicht riskieren wollte,
ihrer Mutter über den Weg zu laufen. Jana log nicht gerne und auch nicht sehr
gut. Ihre Mutter würde sofort merken, dass an der Sache etwas faul war, und sie
auf keinen Fall gehen lassen. Ihre Eltern hatten ihr schließlich jeden
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